Freitag, 14. August 2009

Vor der Bundesratswahl - Rechenspiele, FDP-Absurditäten, »wertkonservativ«

Zur kommenden Bundesratswahl drei Gedanken

I Rechnungen
»Ich habe keine Angst«, sagt Urs Schwaller, und meint damit wohl: Weil Frau Leuthardt jung ist und wohl durch eine Frau ersetzt werden müsste, ist die kommende Wahl ohnehin seine einzige Chance, je Bundesrat werden zu können. Und man kann die Blöcke kurz aufstellen, um zu sehen, wie denn seine Chancen stehen:

FDP, SVP, EDU: 47 + 65 + 6 + 1 = 113
SP, CVP/EVP/GLP, Grüne, (BDP): 51 + 52 + 24 (+6) = 127/133
Nicht schlecht stehen sie also, die Chancen von Herrn Schwaller.
Nun kann man das Spiel mit der Rechnung auch anders spielen - und sieht, dass die SVP sich politisch als derart unzuverlässig erwiesen hat, dass sie über längere Zeit bei der Bundesratswahl nicht mitreden kann. Angenommen, die geeignigte Linke will eine eigene Kandidatin wählen, z.B. Sylvie Perrinjaquet, Liberale, Neuenburg. Sie ist nicht besonders links (smartspider), aber eine Romande, eine Frau und auch nicht besonders rechts einzustufen - und wäre geeignet dafür, keinem/r der offiziellen Kandidaten und Kandidatinnen zur Wahl zu verhelfen.
Wie würde man das machen?
1. Wahlgang
Schwaller: CVP: > 46
e.g. Burkhalter: FDP, SVP, …: <> 70
So siehts nur aus, wenn sich die SVP loyal zur FDP verhält und nicht noch ihrerseits Spielchen spielt, die eigentlich irrelevant sind. Die Linke verkündet dann, sie würde an Perrinjaquet festhalten, wenn sie von der FDP unterstützt würde, ansonsten würde man Schwaller wählen.
Dann ergibt das wahrscheinlich:
3. Wahlgang
Schwaller: CVP: ca. 50
e.g. Burkhalter, SVP-Kandidat: ca. 70
Perrinjaquet: Linke und FDP: ca. 120
Es könnte also wiederum eine Bundesrätin oder ein Bundesrat von der Linken gewählt werden, wenn sie die richtigen Karten spielt, das will und - das ist ganz wichtig - die Romands dazu bewegt, Schwaller nicht zu wählen, weil er Deutsch als Muttersprache hat. Ob das sinnvoll ist, so Bundesräte zu wählen, bleibt dahingestellt - ein Szenario ist es allemal. Und es zeigt, wie irrelevant die SVP für die Schweizer Politik trotz ihrer Größe ist, weil sie es nicht vermag, sich konstruktiv in den politischen Prozess einzubringen.

II Die FDP-Kandidaten
In der heutigen NZZ stellen sich die nominierten Bundesratskandidaten der FDP vor. Man kann sich kaum deutlicher vor Augen führen, wie absurd die Argumentation einer sich selbst liberal nennenden Partei geworden ist:
  • alle Kandidaten sind dafür, die bisherige Politik weiterzuführen - sie haben keine Konzepte, Visionen, Vorstellungen für die Schweiz (was für viele PolitikerInnen gilt), auch keine liberalen
  • nur Martine Brunschwig Graf spricht sich für einen EU-Beitritt aus - die drei Herren beschwören den bilateralen Weg; der EU-Beitritt, seit dem Beitrittsgesuch, das beim Weissweintrinken der Herren Delamuraz und Felber entstanden ist (danke für diese Pointierung), ist eines der seltsamsten Tabus der Schweizer Politik
  • keiner der liberalen Politiker ist für Parallelimporte von Medikamenten; die argumentativen Verrenkungn sind schon fast lachhaft (»eine Form von Wettbewerb«, »philosophische Grundfrage«) - und dankbar ist wieder einmal die Formel vom »geistigen Eigentum«, welches offenbar dazu berechtigt, ein Produkt in einem Land zu diesem Preis anzubieten und in einem anderen Land zu einem anderne Preis, ohne dass ein Konsument wählen kann, wo er welches Produkt kaufen möchte
III Anbiederung bei der SVP
Wie I schon gezeigt hat: Die SVP braucht man nicht, um Bundesrat zu werden. Allerdings scheint sich Schwaller auch für die SVP als wählbar präsentieren zu wollen und fand dazu ein tolles Wort: Er sei »wertkonservativ«. Was immer das heißen mag - er hat konservative Werte, er ist dafür, Werte (welche) zu bewahren, er sei in Bezu auf Werte konservativ - die SVP ist in keiner dieser Hinsichten »wertkonservativ«, weil sie Werte gar nicht braucht, sondern Scheinlösungen für fiktive Probleme diskutiert, welche immer so beschaffen sind, dass sie der SVP-Elite nützen und sozial schlecht gestellten Menschen schaden. Dabei von Werten zu reden, ist schlicht zynisch.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Nach Deinen Rechenspielen sind wir wohl auf Persönlichkeiten wie Willi Ritschard u.A. angewiesen, um das Pokern um Pfründe bei der Bundesratswahl übersehen zu können! ;)

Aha ja liberal. Das geht natürlich nicht, wenn es die eigenen Pfründe mindert! logischkrasss oder!