Gestern war ich mal wieder in der Migros, wo ich selten hingehe, obwohl ich oft einkaufe. An der Kasse stehe ich an. Hinter mir eine Frau, die man wohl als »rassig« bezeichnen würde (hat das was mir Rasse zu tun, so im Sinne von »reinrassig«?). Auf jeden Fall hat sie zwei Kinder, 5 und 7 ungefähr, Mädchen. Beide Jeansminijupe, weiße Hello-Kitty-Socken, rosa Hello-Kitty-Ballerinas, ein weißes Hello-Kitty-T-Shirt und eine Hello-Kitty-Mütze. Eine Art Uniform. Ich denke noch ganz milde, dass es auch Leute geben muss, die ihre Kinder so anziehen, als die Mädchen beginnen, sich ihre Langeweile mit Turnübungen aller Art zu vertreiben. Die Mutter ignoriert sie zunächst, sagt dann alle 20 Sekunden ohne sie anzuschauen »hör uf«. Weil das gar nichts bringt, geht sie zur nächsten Eskalationsstufe über: »Jetzt hör uf, susch hau der eis.« (Aus irgend einem Grund sprach sie immer im Singular zu ihren Kindern.) Die Mädchen lachen lauf auf (obwohl alles sehr ernst gesagt war) und rennen weg.
Das ist keine besonders gute Geschichte, aber wie der Alltag so ist: Sowas regt massiv zum Denken an. So über Erziehung. Und Kinder. Und Kitty, und warum man sie immer begrüssen muss. Oder die Migros? Warum passiert sowas nie im Coop?
Typ I: Kauft dort, wo's am billigsten ist. Informiert sich per Zeitungsbeilage, Newsletter und farbiger Aktionstafeln, geht auch mal zwei oder drei Mal in ein Geschäft, um sicher zu sein.
Typ Ia: Hat Geld, empfindet aber entweder Wonnegefühle beim Kaufen billiger Gegenstände oder fürchtet sich davor, mehr Geld auszugeben als nötig.
Typ Ib: Hat kein Geld, muss sparen.
Typ Ic: Hat zu viel Zeit und beschäftigt sich durch Schnäppchenjagen.
Typ II: Kauft immer am gleichen Ort ein. Auch die gleichen Produkte. Zur gleichen Zeit.
Typ III: Luxushure. Will den marinierten Lachs vom Coop, die thailändischen Mango von der Migros und das Cranberry-Müesli vom Globus. Was heißt will: Braucht das. Zum Leben.
Typ IV: Kauft dort ein, wo es Leute gibt, die noch mit einem reden. Der italienische Metzger, der vom letzten Urlaub in Calabrien erzählt und die Regalauffüllerin, welche sich über die Krankheiten ihrer Kinder ausbreitet, sind die wahren Kaufanreize. Dass alle wissen, was sie wann gekauft hat, ist diesem Typ egal.
Typ V: Bin ich. Kauft oft am gleichen Ort ein, aber dann auch wieder zwei Wochen nicht mehr, achtet manchmal auf die Preise, will aber auch ganz bestimmte Produkte, kennt zwar die Regalauffüllerin, tauscht mit ihr aber nur Bemerkungen übers Wetter aus.
Tendenziell gehören natürlich viele Menschen zu Typ I, und die kaufen dann tendenziell eher in der Migros als im Coop ein. Coop tut ab und zu etwas dagegen, dass die Typen II-V, die im Coop einkaufen, nicht den Eindruck haben, für alles zu viel zu bezahlen. Generell sind diese Typen aber angenehme Einkaufsgenossen, weil sie eher eine gewisse Gelassenheit an den Tag legen. Verzichte ich im Coop auf das Scannen meiner Supercard, passiert nichts. Tue ich das in der Migros, taucht in den Kunden vor, hinter und neben mir so was wie ein gieriges und unverständiges Flackern auf, besagend: »Die Cumulus-Punkte könnten mir gehören.«
Für alle die, welchen das ein zu seichter Eintrag war (ich selber bin nun kurz davor, ihn wieder zu löschen, aber ich sitze im Zug, es ist früh am Morgen und eventuell entschuldigt das etwas), hier noch der Grund, warum Migros und Coop die gleichen Produkte zu einem unterschiedlichen Preis verkaufen:
Angenommen, eine Person will einen Ballen Mozzarella kaufen. Dann kann man sie fragen, wie viel sie dafür zahlen würde. Diese Bereitschaft variiert, einige würden vielleicht nicht mehr als einen Franken dafür ausgeben, andere vielleicht bis zu drei Franken. Nun kann der Detailhändler diese Bereitschaft analysieren und den Mozzarella vielleicht für knapp unter zwei Franken verkaufen oder größere Packungen machen etc., so dass der Konsument den Eindruck hat, er würde einen seiner Zahlungsbereitschaft entsprechenden Preis bezahlen. Dennoch verliert man das Geld, welches die Menschen mit höherer Zahlungsbereitschaft zahlen würden sowie dasjenige, welches die mit tieferer Zahlungsbereitschaft zahlen würden, weil die dann evtl. keinen Mozzarella kaufen. Die Lösung ist einfach, aber nicht möglich: Man verkauft das gleiche Produkt zu drei verschiedenen Preisen: 1 Franken, 2 Franken und 3 Franken, und alle kriegen das, was sie wollten, und der Händler am meisten Geld. Nun kauft aber niemand ein Produkt zu 3 Franken, das man auch zu 1 Franken kaufen könnte. Lösung: Anmalen. 1 Franken: Billigprodukt, sagt meinen Gästen: Ich lebe innerlich noch in einer WG. 2 Franken: Produkt für die Familie von heute, was Gutes für die Kinder, aber Luxus muss nun auch nicht sein, und 3 Franken: Ich kaufe das beste. Natürlich steht dann da noch drauf, der Mozzarella sei mit sonnengereiftem und biologischem (Bio-Produkte funktionieren ganz ähnlich) Strauchbasilikum umhüllt gewesen, doch das sind Texte.
3 Kommentare:
Ich könnte mir schon vorstellen, in finanziell ungemütlichen Lagen nur einen Franken bezahlen zu wollen. Aber ich würde es nicht ertragen, wenn mein Kühlschrank ganz mit weiss-rosa bzw. grün-weis gefüllt wäre. Rein optisch.
Hätte eine Erweiterung anzubringen:
Typ Id: Glaubt kein Geld zu haben. Empfindet es als eine persönliche Leistung, so billig wie möglich einzukaufen und fühlt sich im Gegenzug als Versager, wenn er einmal ein Angebot übersieht.
Dieser Typ hat keine Bedenken, wenn der geöffnete Kühlschrank in grün-weissem Licht erscheint, beim Badezimmer steht dies allerdings ausser Frage.
Ein Schauer läuft mir über den Rücken...
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