Die Tagesschau bietet ihren Content neu auf ihrem Videoportal an - und listet dort auch gleich eine Statistik auf, die Aufschluss darüber gibt, welche Beiträge auf das meiste Interesse gestossen sind. Wie der Tagi scharfsinnig folgert, wird die Tagesschau sich deshalb an diesen Interessen orientieren. Heuchlerisch ist diese Kritik allein deshalb schon, weil die Newsnetz-Seite seit ihrem Start mit dieser Art von Statsitik arbeitet und News in Zukunft eine Art »best-of«- bzw. »Hitparaden«-Newsnetz sein soll (oder schon auf dem Weg dazu ist).
Die grundsätzliche Frage ist die: Sollen Medien schreiben, was die Leser lesen wollen, oder sollen die Leser lesen, was die Medien schreiben wollen? Die Frage tritt überall dort auf, wo es Angebote und Nachfragen gibt; denn Angebote können Nachfrage erzeugen, Nachfragen aber auch Angebote.
Das Problem bei der eigentlich offensichtlichen Antwort, Medien sollten über diejenigen Inhalte schreiben, die bedeutsam, wichtig, informativ, relevant etc. sind, ist die Frage, wer denn letztlich darüber entscheidet, welche Inhalte das sind. Eine liberale Position wäre es, den Lesern gerade diese Kompetenz zuzuschreiben und sich deshalb an ihren Bedürfnissen zu orientieren, weil es letztlich eine demokratische Vorgehensweise ist.
Nun tendiere ich - nicht unbedingt aus rationalen Gründen - zur Haltung, dass Medienschaffende mit Selbstbewusstsein, Gespür und vielen eigenen Interessen Leser dazu motivieren können, sich mit einem Stoff zu beschäftigen, für den sie sich vorgängig nicht interessieren, diese Beschäftigung aber als Gewinn empfinden. Der Vergleich mit einem freien Abend ist vielleicht angebracht: Willst du lieber auf dem heimischen Sopha sitzen und einen spannenden Krimi schauen, oder aber die hübsch anziehen, in die Stadt fahren und dort ein elitäres Theaterstück ansehen? Wenn das Theaterstück den»so-was-könnte-man-öfter-tun«-Effekt auslösen kann (und man dafür motiviert worden ist), dann ist wohl die spontane Antwort auf die Frage nicht unbedingt die richtige.
Was aus dem Beispiel folgt, ist die Forderung nach einem richtigen Umgang mit den Statistiken: Wenn Leser auf Stories klicken, in denen es um, sagen wir, Piratenüberfälle geht, dann heißt das nicht, dass sie sich generell für Piratenüberfälle interessieren, sondern dass die Story so aufgemacht war, dass sie sich für diese Story interessiert haben. Zu fragen wäre dann weiter, welche Beiträge wie lang angeschaut werden, und wie diese Beiträge geschrieben worden sind - nicht nur, worum es darin ging. Leser sind durchaus mündig - aber auch in der Lage, eine Herausforderung anzunehmen.
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vor 6 Jahren
2 Kommentare:
Oh, das Sopha ist herrlich! Was für eine Idee! Dagegen sehen alle meine Telephone, Delphine und Phantasien ziemlich feige aus.
Ich lese das Geo immer von A bis Z (ohne Ausnahme) und finde alles, von der Macht der Frauen bis zur Vogeldreckinsel, interessant, obwohl ich so etwas sonst nie lesen würde. Es geht also, wenn man will.
Leider bin ich nicht der Erfinder des Sophas, sondern hab es von Martin Mosebach, »Der Mond und das Mädchen«, abgeschrieben. Kein besonders gutes Buch, aber diese Idee gabs dort…
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