Donnerstag, 6. August 2009

Gewalt als Mittel

Schlagzeilen populärer Medien suggerieren, dass die Anschläge auf Herrn Vasella breite Bevölkerungsschichten interessieren bzw. interessieren könnten. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass in westlichen Demokratien erfolgreiche Menschen (unabhängig davon, ob ihr Erfolg moralisch legitimiert oder verdient ist) so etwas wie identifikatorischen Neid genießen: Man beneidet sie, weil man sich (oder eine Variante seiner selbst) mit ihnen identifiziert. Klingt trivialpsychologisch, ist es auch; erklärt aber, warum man Bonuszahlungen zwar eine Frechheit findet, sie aber auch gerne erhalten würde.
Zurück zu Vasella. Nun sind diese Tierschützer also auch Terroristen, zumindest die ausländischen. Jedem ist sofort klar, dass Grabschändung und Abbrennen von Jagdhäusern; ja Gewalt im allgemeinen weder taugliche noch ethisch vertretbare Mittel sind, ein Anliegen durchzusetzen. Und Bomben über Städten abwerfen, damit die Zivilbevölkerung in einem Feuersturm ums Leben kommt, auch nicht. (Goodwin's Law ist wieder mal erfüllt.)
Was hat Novartis mit den Nazis gemeinsam? Zwei Punkte:

  1. Rechtsstaatlichkeit und Gesetze hemmen sie in ihren Bemühungen nicht. Gibt es Gesetze, werden sie umgangen, ignoriert, geändert etc.
  2. Niemand ist verantwortlich, weil alle (die Konsumenten, das »Volk«) ja wollen, was sie tun. Der CEO tut, was der Verwaltungsrat will, und der macht, was die Aktionäre wollen, und die Aktionäre machen, was den Aktienkurs steigen lässt, und was den Aktienkurs steigen lässt, sind gute Medikamente, und die wollen ja alle, die mal krank werden könnten, also sind die Verantwortlichen nur Ausführende dessen, was man als Allgemeinwohl bezeichnen kann.
Nun ist im Falle der Nazi gewaltsamer Widerstand als das einzige Mittel erkannt worden - aber auch nur, weil die Nazis »angefangen haben«. Irgendwie war schon Krieg, und da war das Kriegführen nicht so schwer zu legitimieren, zumal alle Angst haben konnten, selber zum Opfer zu werden.
Der Fall Novartis ist da etwas anders gelagert, aber nicht im Falle Tierschutz. Nehmen wir mal an, eine demokratische Mehrheit wollte keine Tierversuche oder nur sehr eingeschränkte. Diese demokratische Mehrheit ist die demokratische Mehrheit eines Landes, also können die Tierversuche in einem anderen Land durchgeführt werden. Dieser Mechanismus betrifft nicht nur Tierversuche, sondern Arbeits-, Steuer- und grundsätzlich alles Recht. Demokratische Mittel können also eine globale Firma nicht treffen, es sei denn, sie sei auf eine gewisse Infrastruktur (Banken) angewiesen. Welche anderen Mittel stehen dann zur Verfügung, um eine Veränderung zu bewirken?
Vielleicht gibt es bessere Möglichkeiten, die gerne in den Kommentaren hinterlassen werden können: Aber ein Jagdhaus abzubrennen, finde ich persönlich nicht so schlecht. Es ist niemand gestorben, die Verbindung zwischen Novartis und Tierversuchen hat Aufmerksamkeit in den Medien erhalten und vielleicht ist es Herrn Vasella nicht mehr so wohl.
Zudem ist alles - um mit Watzlawick zu sprechen - eine Frage der Interpunktion: Sind die Taten der Tierschützer (was für ein Label) eine Reaktion auf das Vorgehen von Novartis - oder sind sie der initiale Akt, auf den dann (z.B. die Polizei) reagieren muss?

15 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Etwas vereinfachend formuliert würde die Globalisierung also Gewalt legitimieren. Ziemlich beunruhigend. Wenn Herr Vasella meint, sein Privatleben müsse respektiert werden, so soll er sich überlegen, ob dort nicht die gleiche Ideologie wie im Beruf waltet. (Godwin's law wird hier nur implizit befolgt.) Aber Geld lässt wahrscheinlich jede Ideologie verschwinden - die Globalisierung hilft auch sehr beim Vergessen von Unannehmlichkeiten:

In einem kleinen Pharmaunternehmen wurde mir mal erklärt, warum sie sich von einer der grossen abspalten konnte: Sie entwickelte Antibiotika - ein Markt der für die grossen nicht rentiert. Das Pharmaunternehmen verdient nur zwei Wochen daran - im Gegensatz zu einem Blutdrucksenker - und kann das Produkt auch nicht beliebig teuer verkaufen. Erst neue Antibiotika bei denen noch keine Resistenzien auftreten sind wiederum interessant.

Trotzdem möchte ich denn Sinn der Gewalt etwas in Frage stellen. Solche Aktionen werden kaum etwas an der Struktur globaler Unternehmen ändern können. Dazu bräuchte es einen etwas grösseren Knall (einen globalen) und das ist kaum wünschenswert. Aufruhr verursacht haben die Aktionen sicherlich und vielleicht machen sich jetzt einige Leute ein bisschen tiefgründigere Gedanken über die Problematik.

Anonym hat gesagt…

Ich sehe nicht ein, warum sich Durchschnittsfrau und Durchschnittsmann "tiefgründiger Gedanken" machen sollten. Plötzlich?
Der Zusammenhang wird ihnen auch durch Gewalt nicht klar werden...

Anonym hat gesagt…

Dieser Beitrag ist aus verschiedenen Gründen schwach, aber hier ein Beispiel: "Nehmen wir mal an, eine demokratische Mehrheit wollte keine Tierversuche oder nur sehr eingeschränkte. Diese demokratische Mehrheit ist die demokratische Mehrheit eines Landes, also können die Tierversuche in einem anderen Land durchgeführt werden. Dieser Mechanismus betrifft nicht nur Tierversuche, sondern Arbeits-, Steuer- und grundsätzlich alles Recht. Demokratische Mittel können also eine globale Firma nicht treffen, es sei denn, sie sei auf eine gewisse Infrastruktur (Banken) angewiesen. Welche anderen Mittel stehen dann zur Verfügung, um eine Veränderung zu bewirken?"

1. In der Schweiz besteht (bis jetzt zumindest) eine demokratische Mehrheit für das geltende Aktien- und Kapitalmarktrecht, das nicht verbietet, dass ein CEO sehr viel verdient.

2. Eine Firma ist eine private Veranstaltung, ob sie nun Novartis, Trybol oder Spenglerei Müller heisst. Der Staat, der hier eingreift, respektiert die Eigentumsfreiheit der Aktionäre nicht.

3. Eine demokratische Mehrheit hat nicht per se recht.

4. Wenn eine Firma in ein anderes Land übersiedeln kann, dann nur deshalb, weil die ebenso demokratische Mehrheit dieses anderen Landes sie lässt - und warum sollte diese Mehrheit weniger legitimiert sein als die, die Tierversuche verboten hat?

5. Die demokratische Mehrheit des Landes, das Tierversuche verboten hat, kann gar nicht anders, als bestimmte Rechte zu schützen, andernfalls wäre eine Demokratie nämlich nicht möglich. Dazu gehören Freiheits-, aber auch Eigentumsrechte. Wer sich gegen diese Rechte wendet, hat überhaupt keinen Anspruch, sich auf die Demokratie zu berufen, weil er sie durch seine Handlungen gerade vermeint.

5. Aus genau diesem Grund handelt es sich bei militanten Tierversuchsgegnern um Terroristen - sie wenden sich nicht durch ihre Ziele, aber durch die Wahl ihrer Methoden gegen das Fundament jeder Demokratie.

XY

Philippe Wampfler hat gesagt…

Danke, XY, für den ausführlichen Kommentar. Die Relevanz der Punkte 1. und 2. ist für mich nicht unmittelbar einsichtig, die von 3. sehr wohl. Zu 4. und 5. möchte ich aber etwas sagen:
4. Das grundsätzliche Problem ist nicht, dass andere Demokratien nicht ebenso zu Entscheiden legitimiert sind - nur basiert eine nationale Demokratie auf der Vorstellung, alle für die Stimmberechtigten relevanten Vorgänge demokratisch regeln zu können. Wenn einzelne Vorgänge von Stimmberechtigten anderer Länder (oder von Ländern ohne demokratische Rechtsordnung) geregelt werden, scheint diese Basis wegzufallen und ein Problem zu entstehen.
Zudem: Grundsätzlich ist es für uns als Konsumenten komplexer Produkte und Nutznießer von komplexen Dienstleistungen sehr schwer nachvollziehbar, wie und unter welchen Umstände diese produziert resp. geleistet werden und was uns daran ge- oder missfällt.
5. Das inhärente Problem, dass man nicht Methoden anwenden kann, welche man selber ablehnt, kann durch die Taten der militanten, von mir aus auch terroristischen Tierschützer nicht gelöst werden. Was ich zeigen wollte, war nur: Die Paradoxien der heutigen Wirtschaftsordnung müssen evtl. durch andere Paradoxien aufgebrochen werden. Und ich selber bin nicht der Meinung, das Recht auf unbeschränktes Eigentum müsse geschützt werden. Freiheitsrechte mag ich, aber das Eigentumsrecht könnte mit einer Limite versehen werden.

Anonym hat gesagt…

Danke für die Antwort! Es stimmt aber 4überhaupt nicht, dass "eine nationale Demokratie" auf der Vorstellung beruht, "alle" für die Stimmberechtigten "relevanten" Vorgänge (welche Vorgänge wären das nicht?) demokratisch regeln zu können. Es gibt eine Fülle von Vorgängen, die nicht geregelt werden können, und es auch nicht sollen. Ganz im Gegenteil, die Demokratie beruht auf der Idee, eben nicht alles zu regeln, sondern nur das, worüber ein Konsens erzielt werden kann und muss, und das Ganze in den Grenzen des Staats, der unter anderem aus dem entscheidenden Staatsvolk besteht. Was ausserhalb dieses Volks vorgeht, geht die betreffende lokale Demokratie definitionsgemäss nicht das Geringste an. Deine These liefe darauf hinaus, aus der Demokratie einen umfassenden Geltungsanspruch abzuleiten. Gerade das ist antidemokratisch.

Zudem ist es überhaupt nicht so schwierig "nachvollziehbar, wie und unter welchen Umstände diese [=komplexe Produkte und Dienstleistungen] produziert resp. geleistet werden und was uns daran ge- oder missfällt". Wofür gibt's Deklarationspflichten, Konsumentenschutz, Internetforen usw. usw.? Um beim Beispiel Tierschutz zu bleiben: Es steht jedem frei (und ist jedem möglich), sich über die Notwendigkeit und Zulässigkeit von Tierversuchen zu informieren. Wenn jemand das nicht will, ist das natürlich sein Recht, aber aus der eigenen Ahnungslosigkeit gegen Konzerne vorzugehen und sich dabei noch auf
die Demokratie zu berufen, ist nicht in Ordnung; schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass der Rahmen für Tierversuche in der Schweiz gerade auf demokratische Weise zustande kam (zB Tierschutzgesetz, 6. Abschnitt: "Tierversuche").

Deine Aussagen laufen letztlich darauf hinaus: Ich verstehe die komplexe Welt nicht, aber ich habe das Gefühl, sie ist nicht fair zu mir (Beweis: D. Vasella verdient mehr als ich). Ich habe aber nicht wirlich grosse Lust, mich mit ihr wirklich auseinander zu setzen; also bin ich dagegen. Da ich nicht weiss, auf welches Recht ich mich dabei berufen soll, nehme ich halt die Demokratie, als moderne Ersatzreligion das Grundlegendste, was ich kriegen kann. Damit löse ich nicht nur das Problem, dass ich ahnungslos bin, indem ich der Welt ihre unverstandene Komplexität als Zumutung vorwerfe, nein, ich kämpfe auch noch für die Demokratie, und wenn das an der Wirklichkeit scheitert, dann ist sie selber undemokratisch. Es kommt für Dich offenbar wirklich nicht auf das Verständnis der Welt an, sondern nur auf ihre Veränderung nach Deinem ganz persönlichen, demokratisch absolut nicht legitimierten Geschmack.

(Nichts für ungut, bitte; ich schreibe gerne Klartext, meine es aber nicht so böse, wie es klingt.)

Gruss
XY

Anonym hat gesagt…

PS: Freiheitsrechte ohne Eigentumsrechte? Das ist nicht nur historisch nie dagewesen, es geht auch nicht. Oder was fängst Du mit der Informationsfreiheit an, wenn Du Dir weder Zeitung noch Internetzugang leisten kannst? Es braucht eben nicht nur die Freiheit, etwas zu tun; es braucht auch den Schutz der dazu notwendigen Mittel.

Philippe Wampfler hat gesagt…

Das wird ja eine richtige Diskussion - sehr schön.
1. Die »relevanten« Vorgänge sind natürlich eben nicht alle, sondern die, welche eine Demokratie betreffen und von welchen eine Mehrheit es für nötig hält, sie zu regeln. Z.B. Tierversuche. Dass es auch noch andere Demokratien gibt, ist zwar eigentlich unproblematisch, aber nicht dann, wenn Konzerne in mehreren Nationen agieren. Das meine ich mit Komplexität: Novartis führt Tierversuche in verschiedenen Ländern, u.a. Singapur durch. Nun bin ich wahrscheinlich überdurchschnittlich gebildet, und könnte mir u.U. eine Vorstellung darüber verschaffen, wie das Tierschutzgesetz in Singapur gestaltet ist, wenn es überhaupt eines gibt dort, aber de facto erhalte ich ein Medikament in der Apotheke, das vielleicht an irgendwelchen Tieren auf irgend eine Art und Weise in irgend einem Land getestet worden ist - unabhängig vom demokratisch bestimmten Gesetz der Schweiz.
2. Der entscheidende Begriff, welcher in meinen Augen Gewalt legitimiert, ist der der Verantwortung. Viele Prozesse im wirtschaftlichen, aber auch im politischen Tagesgeschäft erscheinen zwangsläufig so zu verlaufen, wie sie verlaufen: Niemand hat es kommen gesehen, niemand kann etwas dafür, »man« muss einfach reagieren. Das ist eine Ideologie, welche das Übernehmen von Verantwortung verunmöglich, bis zu einem Grad, wo Vasella tatsächlich ein reines Gewissen hat, obwohl er (zusammen mit anderen) dafür verantwortlich ist, dass mit lebensnotendigen Medikamenten Geld verdient wird, was dazu führt, dass Menschen, welche diese Medikamente bräuchten, sie nicht erhalten. Und das ist der Grund, warum unlautere Methoden u.U. nicht so abwegig sein könnten, wie es zunächst scheinen mag - weil es keine lauteren Methoden gibt, Leute dazu zu bringen, Verantwortung zu übernehmen.
3. Dass Freiheitsrechte und unbeschränktes Recht auf Eigentum zusammenhängen, kann man druchaus finden. Man kann auch finden, Freiheitsrechte und das Tragen einer Waffe hätten etwas miteinander zu tun. Das könnte man jetzt fein säuberlich zerlegen, sich fragen, was der Sinn von Freiheitsrechten etc. ist. Aber fragen wir mal andersrum: Wie kann man legitimieren, dass Herr Vasella drei oder vier oder eine andere Anzahl von Häusern, Autos etc. besitzt und die meisten Menschen auf der Welt nicht einmal ein Grundstück? Hat er das »verdient«? Und wenn ja - was hat er besser gemacht als ich?

Anonym hat gesagt…

Ich muss sagen, das Niveau sinkt rasch auf jenes der Animal Liberation Front.

1. Könnte Novartis mit Medikamenten nichts verdienen, würde sie keine herstellen. Dann müsstest Du Dich selber therapieren, wenn Du krank wirst. Das nennt man Arbeitsteilung; das funktioniert nur über Tausch, und bei uns ist das Tauschmittel halt Geld.

2. Vasella muss nicht rechtfertigen, was er verdient, weil er es niemandem stiehlt. Das nennt man Privatheit. Wenn Du gegen diese bist, dann bist Du ein Diktator, oder ein Kommunist, wobei letzteres ein Anwendungsfall von ersterem ist.

3. Die Verantwortung von Vasella besteht einzig und allein darin, die Novartis in die Lage zu versetzen, auch in Zukunft Medikamente entwickeln zu können. Das tut er, Gott sei Dank. Ohne die Verantwortung von Vasella und der ganzen Novartis gäbe es kein Gleevec gegen Leukämie. Stell' Dir mal vor, Deine Mutter erkrankt daran. Wenn Vasella tut, was Du Dir unter Verantwortung vorstellst, stirbt sie, weil niemand, absolut niemand das Risiko einginge, jahrelange Forschung in ein Medikament zu investieren, wenn er den Aufwand anschliessend nicht amortisieren könnte. Oder meinst Du, private Forschung mit Millardenaufwand sei eine Pflicht, die sich aus Vasellas Verantwortung ergibt?

4. Wer Gewalt anwendet, handelt zutiefst undemokratisch. Das kann man nicht mit der Demokratie legitimieren, nie und nimmer. Da muss man wenn schon ehrlich sein und sich zu dem bekennen, was man eigentlich will: Die Diktatur der Meinung, von deren Überlegenheit man gerade überzeugt ist. Demokratie besteht einfach nur darin, Meinungen nicht durchzusetzen, weil sie gut sind, sondern weil viele sie gut finden, völlig unabhängig davon, ob sie damit recht haben oder nicht.

5. Das einzige, was übrig bleibt, ist das Problem, dass es keine Instanz über den Nationalstaaten gibt, die wirkliche legislatorische (und judikative) Gewalt hat. Dieses Problem lässt sich höchstens durch Staatsverträge lösen, aber auch die kann man schlecht durchsetzen, ausser vielleicht durch Wirtschaftssanktionen. Aber was hat Vasella damit zu tun? Daran ist er so wenig schuld wie Du. Nochmals, Vasella bewegt sich innerhalb des geltenden Rechts, und im Rahmen diesen Rechts bringt er es fertig, Medikamente zu produzieren. Das wäre doch auch mal ein wenig Anerkennung wert. Und wenn er dabei viel verdient, ist das, dank Steuerprogression, für alle besser, als wenn sein Einkommen auf fünfzig Leute verteilt wäre. Es ist für alle gesorgt, aber gegen Neid ist kein Kraut gewachsen.

Anonym hat gesagt…

Noch ein Gedanke: Besteht Vasellas Verantwortung in Bezug auf sein Einkommen nicht in erster Linie darin, was er damit anstellt? Und was weisst Du davon? Von den Stiftungen, die er unterstützt?

(Damit meine ich selbstverständlich nicht, dass diese Verantwortung gegenüber dem Staat, der Gesellschaft oder mir hat; denen schuldet er nichts weiter als die Einhaltung der Gesetze.)

Philippe Wampfler hat gesagt…

Grundsätzlich werden wir wohl eine andere Ansicht haben - auch wenn ich deswegen noch kein Diktator und auch kein Kommunist bin.
Vielleicht möchte ich noch zwei Dinge klar stellen:
1. Ich bin davon ausgegangen, dass es einen demokratischen Konsens gibt in Bezug auf Tierversuche und dass die Behauptungen von diesen Tierschützern faktisch zutreffen und die Novartis gegen die Tierschutzrichtlinien der Schweiz verstößt. Ob das so ist (beide Punkte), wissen wir beide nicht, es handelt sich eben um eine Annahme.
2. Dass private Konzerne Dinge wie Medikamente herstellen ist ebenso sinnvoll, wie dass Investmentbanken gleichzeitig auch Geschäftsbanken sind - also überhaupt nicht. Die Abhängigkeit von multinationalen Pharmakonzernen ist schon seit Jahren so stark, dass Forschung von der WHO durchgeführt werden sollte und die Produktion der Medikamente verstaatlicht werden sollte. Das mag dir wieder kommunistisch vorkommen - aber de facto wird jeder Staat alles machen müssen (mit Notrecht), wenn eine Firma wie Novartis entweder in Schwierigkeiten ist oder ihn in Zeiten einer Krise nicht mehr beliefern will. Und zudem - ein ganz ketzerischer Gedanke - ginge es uns vielleicht allen besser, wenn wir nicht unter dem Eindruck lebten, alle Krankheiten müssten heilbar sein und man könnte sich diese Heilung kaufen.
3. Und - da noch ein Kommentar gepostet worden ist - zu Vasella: Der gute Mann darf mit seinem Geld machen, was er will - denn das ist die Meinung einer Mehrheit in der Schweiz. Meine persönliche Meinung ist es, dass ein Staat nicht unbedingt unbeschränktes Eingentum garantieren müsste, aber das ist ein anderes Problem. Vasellas Verantwortung ist eine rein professionelle: Er ist verantwortlich für das, was Novartis tut: Für Tierversuche, die Preispolitik, die Tatsache, dass reiche Menschen Zugang zu Medikamenten haben und arme nicht etc. Das ist alles, was ich mit Verantwortung meine. Und wenn man ohne Tierversuche keine Medikamente herstellen kann, dann kann man vielleicht einfach keine herstellen. Denn Medikamente für schwangere Frauen und Säuglinge gibt es auch keine - weil man da keine Versuche machen kann. (Auch hier wieder: Vorausgesetzt, eine Mehrheit wäre dieser Meinung…)

Anonym hat gesagt…

Naja, dann bleibt es schlicht und einfach dabei, dass Du Anschauungen hast, die sich mit unserer Gesellschaft nicht wirklich vertragen. Das allein ist kein Problem, das soll in einer Demokratie ausgefochten werden. Was aber wirklich nicht geht, ist 1. Gewalt und 2. die hinterhältige Vorgehensweise, die zB Thomas Minder mit seiner Abzockerinitiative verfolgt, aber auch die ganze Linke: Zuerst wird Neid geschürt, bis der soziale Friede tatsächlich gestört wird. Dann beruft man sich auf diese Störung, um Eingriffe ins Private zu legitimieren. Das gleiche tust Du, wenn Du damit argumentierst, dass die Novartis in Schwierigkeiten kommen könnte. Das kommt sie nämlich erst, wenn man sie zu stark reglementiert. Ich bin nicht dafür, dass ein Konzern tun kann, was er will, aber das ist auch nicht so. Wenn wir beim Tierschutz bleiben: Kein Pharmakonzern hat ein Interesse daran, Tierversuche durchzuführen, wenn er nicht muss; es ist teuer, es scheucht Terroristen auf, es ist mühsam, es ist unsicher. Man macht das nur, wenn's sein muss. Wenn der Staat dafür sorgt, dass die Tiere dabei nicht mehr als unbedingt notwendig gequält werden - ausgezeichnet; dafür ist er da. Wenn Novartis Gesetze verletzt, sollen sie dafür zahlen, dafür sind Vollzugsbehörden da. Das hat aber mit der Lynchjustiz von Earth First, Animal oder Earth Liberation Front, SHAC, MHAF usw. nichts zu tun. Solche Leute müssen einen Feind erfinden, weil sie nicht mehr ohne das Gefühl absoluter moralischer Überlegenheit leben wollen.

Letztlich hilft nichts: Der Pluralismus der Anschauungen, den wir verfassungsrechtlich schützen, führt letztlich dazu, dass Singapur der Ansicht sein darf, Tiere nicht schützen zu müssen. Wenn man Singapur das vorwirft, bezeichnet man die eigene Ansicht als besser und die von Singapur als schlechter. Mit welchem Recht beruft man sich denn auf die Absolutheit der eigenen Meinung?

Deinen ketzerischen Gedanken - man muss nicht alles heilen - teile ich voll und ganz; es gibt Wichtigeres. Wenn jemand stirbt, ist es aber doch schön, wenn man ihm helfen kann. Und sei doch noch ein bisschen ketzerischer: Muss man denn soviel Geld haben? Nein? Warum soll man es Vasella dann wegnehmen, wenn man es nicht so wichtig findet..?

Anonym hat gesagt…

Muss man denn soviel Geld haben? Nein! Warum soll Vasella es dann behalten dürfen?
Ich versteh Deine Logik nicht...

Anonym hat gesagt…

Es geht darum, wer sich zu rechtfertigen hat: Der Einzelne, weil er etwas besitzt, oder die Gesellschaft, die ihm etwas wegnimmt. Bei uns hat das Kollektiv eigentlich nur Rechte, wenn sie vom Individuum auf das Kollektiv übertragen werden, zB Steuern zu erheben. Dass ohne eine solche Übertragung der Einzelne besitzen kann und darf, nehmen wir eigentlich als Naturzustand an. Das kann man natürlich angreifen (man kann ja alles angreifen, inzwischen), aber es ist die absolute Grundlage unseres Staates. Wer das nicht begreift, ist zur Demokratie überhaupt nicht fähig. Wer das ernsthaft angreift, aber gleichzeitig die Vorzüge der Demokratie und unseres Freiheitsverständnisses geniesst, ist einfach ein Egoist und sollte eigentlich nicht mal zur politischen Diskussion zugelassen werden.

Gruss
XY

Philippe Wampfler hat gesagt…

Ich werde das Problem in einem neuen Post aufrollen… 

David hat gesagt…

Ob die Aktionen Mitte zum Changel waren oder lediglich Selbstausdruck, ist zu befragen.
Aus professioneller Campaigning-Sicht sind hier Thesen zu den Aktionen, ihren Wirkungen und ihrem Einfluss auf Campaigning nachzulesen. Es sind die Ergebnisse eines Gesprächsabends der einfach komplex genossenschaft. http://bit.ly/KSsWv