Dienstag, 31. März 2009

Wie schwul bist du wirklich?


Man kann die Qualität des Zusammenlebens in einer Gesellschaft leicht messen: So angenehm, wie die Schwächsten behandelt werden, so angenehm kann man wohl generell das Zusammenleben in so einer Gesellschaft bezeichnen.
In unserer Gesellschaft gibt es einige, die man als schwach bezeichnen kann. Weder von Ausländern (die Mundgeruch zu haben scheinen) noch von Behinderten (gibts die noch - oder haben wir die nicht alle schon vor der Geburt abgetrieben?) soll hier die Rede sein, sondern von Schwulen. Vielleicht auch von Lesben.
Natürlich sind wir total aufgeklärt, finden Schwul-Sein völlig normal, schließlich gibt es sogar in Hollywood-Serien mittlerweile Schwule. Nur sollen diese Schwulen doch nicht einfach so rumlaufen wie Schwuchteln, nicht so hoch reden, rosa Hemden anziehen und was Schwule sonst noch so alles machen. Und auch wenn 20-Jährige allerhand als »schwul« bezeichnen, so meinen sie es nicht negativ, so sagt man heute halt einfach, wenn etwas irgendwie nicht so ist, wie es sein sollte. Nein, »schwul« ist keine Beleidigung, denn wir kennen sogar jemanden, der kennt einen, und der ist schwul. In meinem Umfeld gibt es - glücklicherweise - keine Schwulen, denn dann würden die mich noch anmachen und so. Wie das Schwule halt tun. Aber nein, gegen Schwule habe ich nichts.
Und noch ein bisschen ernsthafter: Homosexuelle Jugendliche bringen sich sechs Mal häufiger um als gleichaltrige Heterosexuelle [Quelle, pdf]. Und warum? Weil ein coming out in einer durchschnittlichen Schweizer Schule, einem durchschnittlichen Schweizer Sportverein, an einem durchschnittlichen Schweizer Arbeitsplatz mehr Mut braucht, als man von jungen Menschen erwarten kann. Aber es sollte keinen Mut brauchen. Und wenn Frau Mauch gefragt wird, was sich nun die Homosexuellen von ihrer Wahl versprechen können, so könnte man das nächste Mal auch einen heterosexuellen Politiker befragen, was denn nun die heterosexuellen Paare von seiner Wahl haben.

Sonntag, 29. März 2009

Doppelgänger - Eine Geschichte

Mit den drei auf der linken Seite abgebildeten Herren werde ich dann und wann verwechselt - mit den einen häufiger, mit den anderen weniger häufig. Die sehen nun alle ganz ansprechend aus, so dass diese Verwechslungsgeschichte mein Ego nur insofern berührt, als dadurch meine unleugbare Individualität direkt hinterfragt wird. Sowas mag ich nicht.
Die Geschichte, die ich erzählen will, ist kurz: Ich war verabredet. Auf dem Weg zum Treffpunkt meine ich meinen Gesprächspartner zu treffen, spreche ihn an, und er meint: »Ah nein, ich bin nicht X, er wartet schon auf Sie.« Leicht peinlich berührt bespreche ich mich mit X, ohne die Verwechslung zu erwähnen. Kaum ist er gegangen,
treffe ich eine Kollegen, der meint: »Der X wollte seine Besprechung mit mir abhalten, er hat gemeint, ich sei du.« So hat denn also eine Besprechung zwischen zwei Menschen stattgefunden, die beide voneinander nicht wussten, dass sie jeweils der andere sind.

Samstag, 28. März 2009

Internet, Botox und »Maulkorb« - Katja Stauber und Erwin Kessler

Katja Stauber wehrt sich juristisch gegen Erwin Kessler, weil der erstens kritisiert, wie Frau Stauber die Tagesschau moderiert hat und ihr zweitens unterstellt, Botox gespritzt zu haben.
Nun hat das Zürcher Obergericht Herrn Kessler »im Rahmen einer vorsorglichen Massnahme jegliche kritische Äusserungen über die Fernsehfrau« verboten [Quelle]. Obwohl das Obergericht einsieht, dass es in die Meinungsäußerungsfreiheit von Herrn Kessler eingreift, legitimiert es die Massnahme »durch die ernsthafte Befürchtung weiterer Persönlichkeitsverletzungen«.


Man fragt sich:

  • Müsste für das Urteil nicht auch geklärt werden, ob Frau Stauber Botox gespritzt hat? Herr Kessler darf dies nicht mehr behaupten - obwohl es ja vielleicht richtig ist…
  • Wie konnte Frau Stauber (bzw. ihre Anwälte (v.a. Mayr von Baldegg) und Berater) auf die Idee kommen, einen solchen Prozess anzustreben - dessen wohl direktestes Resultat ist, dass Google für "Katja Stauber" nun an dritter Stelle den Botox-Vorwurf liefert (Und die Frage »Wie hässlich ist die Botox-Moderatorin Katja-Stauber wirklich?«).
  • Wie konnten sowohl diese Leute als auch das Gericht annehmen, ein Urteil könne eine Meinungsäußerung im Internet verhindern (Herr Kessler gibt an, die Seiten seien auf einen Server in »Übersee« transferiert worden)?
  • Wie kann eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit dadruch begründet werden, dass jemand etwas sagen könnte, was gegen das Gesetz verstösst? Widerspricht das nicht in fundamentaler Weise dem Prinzip der Freiheit?
  • Und letztlich stellt das Internet doch auch die Festlegung eines oder einer Verantwortlichen für eine Information vor grössere Schwierigkeiten, wenn man sowas geschickt organisiert, kann niemand mehr wissen, wer genau etwas geschrieben, gesagt, gepostet etc. hat.
Tja, diese neue Medienwelt…

Sonntag, 22. März 2009

»es« funktioniert - Dario Cologna gedopt?

[Quelle: .ch, 16. Dezember 2008. Bildlegende (von mir): Aufhören, bitte.]

Dario Cologna - die Schweiz hat einen weiteren Helden.

Gab es für Sie in diesem Winter nie einen kritischen Moment, in dem Sie dachten, der Weltcup entgleite Ihnen noch?
Nein, ich hatte nie Angst, dass es nicht funktioniert. [Quelle]
Die NZZ bezeichnet ihn als »der Naturbursche aus dem Val Müstair« und erklärt:
Er nahm die Signale seines Körpers ernst und verzichtete zugunsten des Weltcups auf den 50-km-Lauf in Liberec. [Quelle]
Und ich meine: Ein Naturbursche gewinnt den Gesamtweltcup nicht, sondern nur jemand, der weiss, dass »es« funktioniert. Und der Verzicht auf den 50-km-Lauf dürfte so auch in ein anderes Licht rücken. Nein, Beweise habe ich keine - wundere mich nur, wenn ich die Lobeshymnen lese und sehe, dass niemand diese Fragen stellt. Aber natürlich: Schweizer dopen prinzipiell nicht, genau so wenig wie das Bankgeheimnis ein Deckmantel für kriminelle Taten ist (oder gewesen ist).

Samstag, 21. März 2009

Steinbrück und die direkte Demokratie - egal oder doch nicht?

Eben wollte ich Flos neuesten Blogpost kommentieren und auf diese Story verweisen, in der der Tagi die neue Nicht-recherchieren-aber-über-wenig-nette-Mediensprecher-berichten-Methode ein weiteres Mal glänzend angewendet hat. Ich hatte die gelesen, als sie erschienen ist, und merke, da hat sich was getan. Such man bei Google, findet man diese Resultate:Und man merkt: Irgendwer hat irgendwie den Zusatz, die direkte Demokratie sei »uns hier in Deutschland egal« gelöscht. Warum wohl? Es darf spekuliert werden.
Der Zusatz hat den pi-news-Blog dazu gebracht, dem Steinbrück gleich ihre Wertschätzung engegen zu bringen, wie man auf dem Bild auch sieht.

Mittwoch, 18. März 2009

Legal, illegal und so - wie geht runterladen aus dem Internet?

Heute informiert der Tagi seine Leser über die Möglichkeiten und Freuden des illegalen Downloadens - kaschiert als Artikel über den berüchtigten Internetpiraten aXXo, den, so wird angedeutet, es vielleicht gar nicht gibt, der aber den Eingeweihten zu über 1000 Gratis-DVDs verholfen hat. [zum Artikel]

Die Möglichkeiten, die der Tagi vorstellt, sind illegal, wie er selber auch erwähnt. Medienethische Fragen scheinen ohnehin für Medienschaffende von wenig belang zu sein, so ist wohl ein Spielverderber, wer fragt, ob es vertretbar ist, solche Anleitungen abzudrucken, obwohl sie voraussichtlich dazu gebraucht werden, um kriminelle Handlungen auszuführen.

Das Rechtsprinzip ist einfach: Runterladen darf man, hochladen nicht. Bittorrent-Protokolle laden aber immer hoch, also sind sie verboten (ausser man tauscht Inhalte, die keinem Copyright unterstehen). Rechtsgrundlagen finden sich hier.

Nun gibt es aber Möglichkeiten, in der Schweiz legal Files runterzuladen. Diese Möglichkeiten erlauben viel schnellere Downloads von Files der gleichen Qualität. Hier eine kleine Anleitung, vorerst aber noch ein Gedanke: Urheberrecht wird gehandhabt, als handle es sich dabei um einen Besitz (»geistiges Eigentum«). Diese Metaphorik vernebelt etwas die Sicht auf die Sache: Wenn ich etwas besitze, und jemand nimmt es mir weg, besitze ich es nicht mehr. Wenn ich aber das Urheberrecht besitze, und jemand kopiert mein »geistiges Eigentum«, so ist es auf keine Art und Weise gefährdet. Niemand behauptet, der Regisseur eines Films zu sein, den er aus dem Internet runtergeladen hat, und der Regisseur besitzt immer noch gleich viel wie zuvor. Worum es geht, ist ein Recht auf die kommerzielle Nutzung von geistigen Inhalten. Und darüber kann man sich - abseits vom Gesetz, oder als Grundlage - zumindest streiten.

Wie lädt man nun aber schnell und legal runter?

  1. JDownloader runterladen, installieren und konfigurieren (so, dass die Zwischenablage automatisch eingefügt wird).
  2. Sich Rapidshare-Links besorgen von den gewünschten Files, für Filme z.B. hier (deutsch) und hier (englisch) oder den Filmtitel "+Rapidshare" googeln [Alternative wäre Netload.in, siehe auch Kommentare].
  3. Wenn man bereit ist, ein bisschen was zu zahlen, ein Rapidshare-Premium-Account [bzw. Netlodad.in]lösen. Kostet was, bringt aber den gewünschten Speed (mit Cablecom 10000 >1000 kb / s).
  4. Das wärs. Hochladen tut man nichts, daher legal, so lange der Content in der Schweiz legal ist.

Dienstag, 17. März 2009

»Druck aufsetzen«: Rückfallquote von Sexualstraftätern aus der Zone

Eine weitere Lieblingspolitikerin von mir (irgendwie stört es mich grad, dass es zwei Frauen hintereinander sind, aber das hat sich rein aus tagesaktuellen Gründen ergeben, einen gender-Bias würde ich vehement bestreiten wollen), also, ich bin auch total begeistert von der jungen, aufstrebenden und attraktiven Frau Rickli.
Die Hundefreundin (mehr private Bilder gibts hier) sagt:

Widmer-Schlumpf handelt nur auf Druck – also setzen wir Druck auf. [Quelle: TA]
Genauer will sie vom Bundesrat wissen:
Ist der Bundesrat immer noch der Meinung wie in seiner Antwort zu meiner Interpellation 08.3462, dass die meisten Sexualstraftäter nicht rückfällig werden?
Natürlich unterstellt sie dem Bundesrat nicht nur, dass er an seiner Meinung festhalte, sondern auch, dass die Meinung total falsch sei. Die Logik von Frau Rickli ist bestechend: Wenn ein Straftäter rückfällig geworden ist, dann werden wohl die meisten rückfällig werden. Der Bundesrat hatte ihr noch im alten Jahr beschieden:
Die Aussage, dass die Rückfallrate bei Sexualstraftätern viel tiefer liege als allgemein angenommen, bezieht sich auf den Umstand, dass in der öffentlichen Wahrnehmung das Bild vorherrscht: "Einmal Sexualstraftäter, immer Sexualstraftäter". Diverse Untersuchungen (etwa Studien der kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden oder auch die Zahlen des Bundesamtes für Statistik) zeigen jedoch, dass die meisten Sexualstraftäter nicht rückfällig werden. [Quelle für beide Zitate: parlament.ch]
Die Studie, auf die sich der Bundesrat bezieht, findet sich hier. Tatsächlich werden offenbar rund 20% der Sexualstraftätern rückfällig (natürlich bedeutet das, dass man das durch gezielte Massnahmen verhindern sollte), interessanterweise aber doppelt so häufig, wenn sie in der DDR verurteilt worden sind. Da sieht man wieder, was uns der Kommunismus eingebrockt hat, und wie glücklich wir uns schätzen können, dass die letzten Kommunisten dieser Welt auf einer schönen Insel leben, wo wir in den Ferien Rum trinken können, oder dafür sorgen, dass jemand unsere Kraftwerke kauft und unsere T-Shirts näht.
(Auch ein Problem sind die Exhibitsionisten: Die werden in fast der Hälfte der Fälle wieder rückfällig. Die appenzellische Politik ist also da wohl fast mehr gefragt als der Bundesrat.)

Montag, 16. März 2009

Wenn Intelligenz fakultativ wird...

Co-Blogger Flo macht auf den Blog von Dr. Med. Yvette Estermann aufmerksam - und siehe da: Selten liest man Halb- oder Gar-nicht-Gedachtes so frei formuliert. Nicht nur ist die Frau offenbar praktizierende Ärztin, sondern darüber hinaus wurde sie auch noch ins Parlament gewählt. Nun setzt sie sich »mit der ältesten Kultur der Schweiz« (Volkskultur, natürlich, oder auch: Volksmusik) auseinander oder betet im oder fürs Bundeshaus (das kann man auch online tun, grossartige Gebete können dort nachgelesen werden). Zudem verweist die Ärztin auf Studien, welche die Wirkung von Gebeten belegen. Wie Flo richtig festgestellt hat: Wenn solche Leute impfen dürfen, dann wäre es fatal, wenn sich alle impfen lassen müssten.
Die oben erwähnten Studien gibt es allerdings tatsächlich. Zwei, die ich angeschaut habe, finden sich hier:

Dabei werden mit Blindtests Patientgruppen untersucht, für die gebetet wird. Effekte der Statistik ergeben dann scheinbar valide Ergebnisse, die belegen, dass Gebete wirken. Allerdings stellen sich auch diesen Forschern ein paar Fragen, die zeigen, mit welchen Tücken »christian science« zu kämpfen hat:
How God acted in this situation is unknown; i.e., were the groups treated by God as a whole or were individual prayers alone answered?
Dass Gott sich für Untersuchungen selten zur Verfügung stellt, ist natürlich ein bemerkenswertes Problem. Anschließen kann man vielleicht noch die Frage, warum er Menschen, für die gebetet wird, eher heilt als solche, für die keine Gebete aufgesagt werden (denn die Betenden müssen die Patienten nicht kennen, allein der Name reicht). Um den Betenden eine Freude zu machen - von der sie nie erfahren werden, weil sie ja nicht wissen, für wen sie beten? Oder um generell einen Anreiz zu weiteren Gebeten zu schaffen? Alles etwas unklar.
Die Christian Science an sich ist aber noch etwas rigider in ihrem Glauben: Gestüzt auf Mary Baker Eddy glauben sie, es gäbe nicht als eine spirituelle Welt (eigentlich nichts ausser Gott). Leiden ist glücklicherweise reine Einbildung, entweder eine Wahrnehmunsstörung (»healing of sickness«) oder basiendrend auf einer Sünde (»healing of sin«). Beide Ursachen können mit Gebeten problemlos behoben werden, da es eine materielle Welt nicht gibt.
Was philosophisch überzeugend daherkommt, wirkt sich fatal aus: Wie mehrere Studien (z.B. diese) belegen, leben Anhänger dieses Glaubens deutlich weniger lang als vergleichbare andere Gläubige und sterben in 6% der Fälle an Ursachen, die hätten behoben werden können.
Und was es zu den Gebetsstudien noch zu sagen gibt, ist
  1. Statistik- und Reality-Check: hier. (Fazit: Wenn man zwei Gruppen macht, kann es sein, dass es der einen besser geht. Ob gebetet wird oder nicht.)
  2. Das Gebet in seiner reinen Form folgt Zizeks Logik des Opfers (hier nachzulesen); das nämlich nur in einer kaptialistischen Analyse als ein verschobener Kaufvertrag angeschaut werden kann (ich opfere/bete und erhalte später, wofür ich geopfert/gebetet habe), grundsätzlich aber eine Handlung ist, die ich vornehme, um die Existenz Gottes zu bekräftigen, denn wenn ich ihm opfere bzw. zu ihm spreche, dann muss es ihn ja geben. Etwas erhalten muss ich dann nicht.

Mittwoch, 11. März 2009

»unsere Justizbehörden« - und noch einmal Brecht

Es tut wieder einmal verdammt weh, zu lesen, wie unsere Justizbehörden versagen. Solch brutale Mörder empfinden gar keine Reue, gehören ein für allemal weg aus unserem Leben, die Todesstrafe ist das einzig Richtige, sonst kostet es die Steuerzahler enorme Summen und wieder unschuldige Menschenleben.
- Martha Hürlimann, Oberglatt (Quelle: Tages-Anzeiger, 11. März 2009)
Frau Hürlimann spricht aus, was wohl viele denken (z.B. die hier): Die Forderung nach einer Macht, die disziplinieren kann, die verhindert, was wir uns nicht wünschen, die töten kann, was nicht »in unser Leben« gehört. Der Tod gehört nicht in unser Leben. Mörder gehören nicht in unser Leben, und können deshalb keine Reue empfinden.
Und auch in diesem Fall passiert das Absehbare: MitarbeiterInnen des Justizapparats, die versucht haben, einen Täter in einen geordneten Alltag zu überführen und dabei gescheitert sind, werden medial an den Pranger gestellt, härtere Gesetze werden gefordert und vielleicht auch eingeführt, und niemand sagt, dass eigentlich unaussprechlich ist, was passiert ist, dass wir es nicht verstehen, dass es uns überfordert, unsere Gesellschaft überfordert, unser System überfordert, unser kausales Denken überfordert. Man wünscht sich, dass Brecht ein Autor einer Zeitung wäre, der über den Fall Apfelböck geschrieben hat:
In mildem Lichte Jakob Apfelböck
Erschlug den Vater und die Mutter sein
Und schloß sie beide in den Wäscheschrank
Und blieb im Hause übrig, er allein.
[…]
Und als sie einstens in den Schrank ihm sahn
Stand Jakob Apfelböck in mildem Licht
Und als sie fragten, warum er's getan
Sprach Jakob Apfelböck: Ich weiß es nicht.
(das ganze Gedicht)
Und so können auch wir sagen: Wir wissen es nicht. Wir verstehen es nicht. Aber Frau Hürlimann, stolzes Mitglied des Naturschutzvereins Oberglatt, fordert die Todesstrafe. Und zwar nicht hauptsächlich, weil das nicht mehr passieren darf, sondern zunächst, um Geld zu sparen. Auch das ist eine Logik - die man nicht versteht.
Hier noch einmal das Gedicht, verstörend:

Donnerstag, 5. März 2009

Mal wieder: Originalität

»Heute«, beklagte sich Herr K., »gibt es Unzählige, die sich öffentlich rühmen, ganz allein große Bücher verfassen zu können, und dies wird allgemein gebilligt. Der chinesische Philosoph Dschuang Dsi verfaßte noch im Mannesalter ein Buch von hunderttausend Wörtern, das zu neun Zehnteln aus Zitaten bestand. Solche Bücher können bei uns nicht mehr geschrieben werden, da der Geist fehlt. Infolgedessen werden Gedanken nur in eigner Werkstatt hergestellt, indem sich der faul vorkommt, der nicht genug davon fertigbringt.
Freilich gibt es dann auch keinen Gedanken, der übernommen werden, und auch keine Formulierung eines Gedankens, die zitiert werden könnte. Wie wenig brauchen diese alle zu ihrer Tätigkeit! Ein Federhalter und etwas Papier ist das einzige, was sie vorzeigen können! Und ohne jede Hilfe, nur mit dem kümmerlichen Material, das ein einzelner auf seinen Armen herbeischffen kann, errichten sie ihre Hütten! Größere Gebäude kennen sie nicht als solche, die ein einziger zu bauen imstande ist!«
Bertolt Brecht [Gesammelte Werke, Band 12, Frankfurt am Main 1967, S. 379f.]

Mittwoch, 4. März 2009

»I fight...« - Letzte Gegenreden

Die Unzulänglichkeit besteht darin, dass ich mich bei jedem geschilderten Zwischenfall veranlasst fühle (durch welche Kraft – oder durch welche Schwäche?), ihm einen (sozialen, moralischen, ästhetischen) Sinn zu verleihen, eine letzte Gegenrede zu geben. Kurz, diese Chroniken laufen ständig Gefahr, ‘Moralitäten’ zu sein. - Roland Barthes, Chronik
Nun, zwei Zwischenfälle, denen ich versucht habe, einen Sinn zu geben - und gescheitert bin.

Zuerst einmal diese Plakatwerbung:Also das Bekenntnis dieser Dame lautet, sie kämpfe für »little wave riders«, womit wohl dieser rosa eingefärbte Hase gemeint ist. Die Wahl des Tenus dürfte sich dadurch erklären - wenn man eingefärbte Häschen beschützen will, müssen Top knapp, die Perlenkette lang und Hosen halb geöffnet sein. Auch »totally sexy« reicht als Haltung aus, wenn man nichts anderes will im Leben, als den Anschein geben, gefärbte Tiere vor Gefahren zu bewahren. Überhaupt scheint dieses »totally sexy« für vieles zu reichen heute: Hosen oder Leggins anziehen, die aussehen, als trage man keine Hosen, sich runterhungern, dass alle Körperteile, die reinmüssen, reinpassen - und schon ist man ideologisch für den Alltag gerüstet. Kein Wunder, lies sich eine Liste mit Fragen, die 15-Jährige beantworten, auszugsweise wie folgt (die Antworten sind echt):
36-shopppe/kino > hmmm beides
37-mc/burger king > mc!
38-schuel/party > partyyyy.!
39-piink/grüüen > beiides
40-erdbeer mit sahne/banane mit schoggi > erdbeer mit sahne. *mmmmm*
41-flirte/beziehung > öppis zwöshed ine:P
42-chemie/mathi > maths
43-röckli/jeans > jeans
44-sommer/winter > summeer!!!!
45-boarde/skifahre > boarde
46-alk/non alk > alk. gell alice:P
47-shisha/cigis > shisha
48-tally wejil/chicoree > tally wejil
Und dann gleich noch die zweite Gegenrede oder der zweite Versuch, einem »Zwischenfall« einen Sinn abzuringen: Der Tagi berichtet, Freier wollten immer häufiger ungeschützten Geschlechtsverkehr - und zitiert »Internetforen«. Als journalistische Methode scheint das Einloggen in sein Facebook-Account und in die einschlägigen Foren im Hause Tamedia immer mehr im Schwange zu sein - man möchte dann aber doch wissen, wie diese Internetforen genau aussehen. Und tatsächlich: Die Freier tauschen sich rege über die Details des Strassenstrichs aus. Es scheint nicht ganz einfach zu sein, sich da zu orientieren - ein Problem, das man wohl ohne Internet kaum wirklich kostengünstig lösen konnte: Siehe hier.
Und nein, dem kann ich keinen »Sinn« abgewinnen.