Montag, 30. April 2007

Szene

Irgendwann Samstagabend oder Sonntagmorgens, recht spät, so scheint es, einige gähnen, andere trinken manisch Kaffee. Wenige tragen Sonnenbrillen, wenige einen Anzug, die Herren sitzen im Hemd, das aussieht, als hätten sie es ohne zu probieren auf ebay gekauft, die Damen sind entweder 60 und tragen ein Kleid mit Blümchenmuster oder jünger und tragen ein Pyjamaoberteil zu Jeans.
Wir befinden uns - an einem Pokertisch. Der einzige Professionelle, so scheint es, ist der Croupier. Souverän und schnell verteilt er Karten, stapelt Chips und zieht fast unbemerkt Rake ein, den Anteil des Casinos.
Man spielt 5/10 Limit-Poker. Nun scheinen die Anwesenden zu denken, Limit spiele man, weil das Spiel einfacher als No Limit sei - und folglich spielen sie fast jede Hand. Karten werden kommentiert, Hände überschätzt, auf Straights spekuliert. Nur nicht rechnen, scheint das Motto zu sein, auch Konzentration ist nicht wirklich ein Erfordernis. Macht man Pause, so spielt man schnell Blackjack. Doch man kennt und schätzt sich - auf dem Heimweg nach Zürich, mittlerweile ist es 3.45 Uhr, plaudert man über Arztbesuche, gibt sich Tipps, verspricht einander, nie mehr Cash-Games zu spielen, weil es dort zu viele Anfänger gebe, die immer gewännen, hadert mit dem Glück ("gewisse Leute haben einfach immer Glück", "Poker ist nur Glück") und verabschiedet sich schliesslich herzlich - in 12 Stunden sitzt man schon wieder beim Sonntagsturnier. Besser angezogen wird man wohl nicht sein, weniger müde auch nicht und ein Vermögen wird man auch nicht machen. Aber ein paar Leute teilen - nicht eine Passion, sondern eine Art Weirdness. Und das ist ja auch schon was.

Ah, dazu noch diesen Film gesehen (was man nicht alles sieht, wenn man Channel 4 empfangen kann). So Adaption-Stranger-than-Fiction-Style, aber nicht ganz so gut, dafür mit Casino-Action, Clive Owen ist ein durchaus passabler Schauspieler und dann auch noch diese generelle Lebensweisheit: hang on tightly, let go lightly. (Das lässt sich durchaus auf Geld und einen Casinobesuch anwenden.)

Donnerstag, 26. April 2007

Mein last.fm Quilt


Impressive, isn't it?

Schmerzhaft


Nun ist er also tätowiert, mein Arm, ach, was sag ich, meine beiden Arme, mein ganzer Oberkörper und selbst die Regionen, über die es mein Anstand zu sprechen verbietet, mit Farbe getränkt, vollbusige Weiber, düstere Piratenschiffe und derbste Sprüche überziehen mich. Wer das auch möchte, soll sich doch hier mal umsehen; ist also auch gleich ein Kauftipp.

(Dabei ist mir noch das in den Sinn gekommen, das gehört ja auch mal in diesen Blog:<) (Klammer geschlossen, nämlich).

Dienstag, 24. April 2007

Autorität

Das Auftreten einer "Terrorklasse" (Kandidat für Unwort des Jahres) zeige, so ein breiter Medientenor, dass die Pädagogik der 68er ausgedient habe. Was ist damit gesagt - oder auch nicht gesagt?
Die Pädagogik der 68er wird dargestellt wie in jener Anekdote vom Kind, das beim Anstehen im Supermarkt die Kunden belästigt und von der Mutter nicht zurecht gewiesen wird, weil sie halt eine antiautoritäre Erziehung pflege, worauf ein ein anstehender Mann eine Büchse Honig über dem Kopf des Kindes ausleert und bemerkt, auch er habe eine antiautoritäre Erziehung genossen. Es wird also das Bild einer Erziehung gezeichnet, bei der man Kinder und Jugendliche machen lässt, was sie wollen - obwohl vorauszusetzen ist, dass sie nicht machen wollen, was sie machen sollen; oder umgekehrt.
An die Stelle dieses Laissez-Faire müssen nun wieder starke Autoritäten treten, die Jugendliche in die Schranken weisen, sie Anstand lehren und durchgreifen können.
Solche Bemerkungen entbehren nicht einer gewissen Gefahr: Wenn die "68er" etwas gezeigt haben, dann war es, dass Autorität nicht eine Supermananzug sein darf, in den jede "Autoritätsperson" schlüpfen kann um damit selbstreferentielle Autorität zu heischen (ich habe Autorität, weil ich eine Autoritätsperson bin und umgekehrt) - sondern dass Autorität ersetzt werden kann durch Kompetenz. Wenn ich fähig bin, etwas so zu machen, dass es von anderen respektiert wird, geniesse ich eine Form von natürlicher Autorität, die keines zusätzlichen Autoritätsgehabes bedarf.
In unserer heutigen Gesellschaft hat sich sowohl diese Haltung gegenüber Autoritäten durchgesetzt (die sogenannte 68er-Pädagogik) als auch ein Verzicht auf vielerlei Kompetenzen. "Just do it" ist seit längerem das Motto - tu, was du willst, ohne dir zu überlegen, ob du es kannst. Jeder kann tanzen, jeder ist Dichter, jeder kann Computer, jeder erziehen, machs, und du wirst schon was hinkriegen. Hier dürfte der Punkt liegen, an dem man ansetzen muss. Lehrpersonen sind nur eine Berufskategorie, von denen mehr Kompetenzen gefordert werden müssen. Und wir sprechen nicht von kognitiven oder überprüfbaren Kompetenzen, sondern ebenfalls von "soft skills", von denen stets gesprochen wird, auf die jedoch wenig Wert gelegt wird. "Mit Kindern/Jugendlichen sprechen können" ist beispielsweise eine Kompetenz, die auch vielen Eltern abgeht (Eltern sein ist ja auch ein Bereich, der unters Motto "just do it" fällt); oder auch: "sich durchsetzen können" oder "von etwas überzeugt sein".
Die Kritik betrifft also nicht die 68er, die durchaus gewisse Illusionen gelebt haben und schon lange wissen, dass es Illusionen waren, sondern die verborgenen Träume des Kapitalismus, der American Dream, der unsere Medienwelt unterwandert hat: Jede und jeder kann alles werden, wenn er oder sie nur will. Richtig wäre: Jede und jeder kann das werden, wofür er die nötigen Kompetenzen hat. Und dass Lernen und Schule etwas wert sind, zentrale Bausteine für einen Lebensentwurf sind, wird immer dort verschüttet, wo ein erfolgreicher Unternehmer oder Politiker oder Sportler sich brüstet, in der Schule eine Null gewesen zu sein, und doch sei aus ihm noch etwas geworden.

Montag, 23. April 2007

Mika: Life in Cartoon Motion


An dem Album ist alles unmöglich: Angefangen vom Cover über die Falsettstimmen, die Kinderchöre, die Lyrics ("sucking too hard on my lollipop"; "relax, take it easy") und die Zitate, die immer und überall vorhanden sind - und eigentlich auch der Typ selbst, seine Biographie - nichts entspricht dem, was man für möglich halten würde. Deshalb ein eigentlich recht erstaunliches Album, das ich mir unerwarteterweise schon mehrmals angehört habe - und mich immer noch ein wenig schäme (gut, wenn ich dazu heute lese, gehts eigentlich noch mit dem Schämen).

Donnerstag, 19. April 2007

Valeska

Ein Tipp: Valeska und ihre Band. Auf myspace kann man sich ein paar Songs anhören - gestern war das letzte von drei Konzerten im Fjord in Baden und man kann nur hoffen, bald mehr und öfter von Valeska zu hören. Die Frau kann singen, dichten und steht auf der Bühne, als ob sie das schon jahrelang täglich gemacht hätte. Zudem eine ganz starke Band. Schnell, schnell, ein Album!

Restaurants Teil 2

Das geht ja recht schnell, ich durchlaufe eine Periode des Vielauswärtsessens.

Gottardo, Baden
Ein klassischer "Italiener" - wobei die Mehrzahl vielleicht angebrachter wäre. Sehr viele Italienerinnnen und Italiener geben dem überblickbaren Lokal eine gewisse Betriebigkeit, die für ein gemütliches Essen manchmal stressig wirken kann. Da wird abgeräumt, serviert, Bestellung aufgenommen oder überhört, alles durcheinander, alles unkoordiniert und nicht immer ganz freundlich; dafür stets flexibel. Wenn man sich an diese Umstände gewöhnen kann, wird man kulinarisch verwöhnt: Herausragende Pizzas, selbst gemachte Teigwaren, Salate mit feinen Brötchen, auch gute und grosszügige Desserts. Wie bei einem guten Italiener kann man auch hier den offenen Hauswein zu jedem Gericht trinken.

Mittwoch, 18. April 2007

Wer bezahlt für Mediencontent?

Eben am Kiosk zwei Presseerzeugnisse gekauft, eines davon sieht so aus:Das andere fast noch schlimmer, es ist das amerikanische Wired, das mit neuem Layout beelendet, es scheint doch wieder möglich zu sein, verschiedene Schriftarten, -grössen, -stile und -farben auf einer Seite zu kombinieren. Aber darüber will ich mich gar nicht auslassen (ev. noch anmerken, dass das Layout der Weltwoche erfrischend klassisch daherkommt).
Viel mehr besteht dieses Heft "iPod&more" aus Produkteinformationen. Nun könnte das ein Synonym für Werbung sein - doch die redaktionellen Inhalte, die in Form von Tipps oder harmlosen Tests daherkommen, können nicht von den Herstellern bezahlt worden sein, denn schliesslich kostet das dünne Heftchen (inkl. einer Promo-CD) fast 10 Franken.
Das Axiom moderner Medien, das besagt, der Konsument müsse für den Vertriebsaufwand aufkommen (Herstellung und Versand des Mediums), die Werbung für den Inhalt, scheint hier völlig ausser Kraft gesetzt worden zu sein. Ev., so mag man sich trösten, werden solche Zeitschriften auf dem Markt nicht lang bestehen können.
Wired kostet dann noch einmal 50% mehr, ist aber ein amerikanischer Import, gehaltvoll - wenn auch mit Werbung gespickt.

Restaurants Teil 1

In loser Serie ein paar Restaurantempfehlungen um Erfahrungen zu verarbeiten (Börsianerwitz aus einem Weltwocheinterview: "Wer Erfahrung hat, kann an der Börse Geld machen, wer Geld hat, Erfahrungen...")

Nun gut, anstatt alle Restaurants aufzulisten, über die ich aus dem Stand was sagen kann, einfach meine frischen Erfahrungen - sowie mein Stammlokal:

Killer, Turgi
Vor allem am Mittag eine Empfehlung. Eine enorm abwechslungsreiche Mittagskarte. Spezialitäten sind erfrischend gekochte "währschafte Schweizer Küche" sowie Curries. Mein Lieblingsgericht ist Fleisch mit Taleggio überbacken, Kartoffelgratin.

Frisch beessen:

Asador Don Carlos, Stüssihofstatt, Zürich
In irgendeinem Zusammenhang mit Dieter Meier soll dieses Lokal stehen - was man zunächst für suspekt halten könnte. Es überzeugt aber durch eine gewisse Schlichtheit, eine knappe Karte, wenig Dekoration, schwarz gewandetes Servierpersonal. Die Karte stellt beim Bestellen ein Hindernis dar, so schlecht sind die Übersetzungen - eine visuelle Orientierung an den anderen Tischen empfiehlt sich. Rindsfilet und Entercôte sind grosse Fleischstücke, perfekt zubereitet und von interessanten Saucen begleitet. Die Beilagen sind gut, Bratkartoffeln und Bohnen besonders, die Pommes-Frites enorm dünn, aber fast geschmacklos. Die Spare-Ribs sind - das ist der Karte wiederum nicht zu entnehmen - süsslich mariniert (BBQ wird das auf Amerikanisch wohl heissen).
Fazit: Wird kein Favorit, aber für Fleischeslust lohnt es sich allemal.


Freitag, 13. April 2007

Karl Emil Franzos: Pojaz

"Eine Geschichte aus dem Osten" nannte Franzos seinen Roman Pojaz. Der Held des Entwicklungsromans wird Pojaz genannt (von Bajazzo), weil er das Wesen eines Gauklers hat: Er hat die Gabe, Leute und Stimmen nachahmen zu können, und wird schnell zum Unterhalter im galizischen Dorf, in dem er lebt. Es ist geprägt von der jüdischen Sekte der Chassidim, die lebenslustig, aber stark autoritäts- und abergläubisch dargestellt wird. Die Bildung oder Entwicklung des Pojaz findet im Widerstreit seines Wesens (das er von seinem Vater, dem begabtesten "Schnorrer" Galiziens geerbt hat) und seiner Umgebung (die ihn davon abhalten will, dem Muster seines Vaters zu folgen) statt. Dieser Konflikt macht die Qualität dieses Buches aus: Er wird so geschildert, als wäre der Erzähler selbst auch ein Pojaz. Immer wieder entzieht er dem Leser Informationen, geht geschickt mit Anekdoten und Details um, die dann an einer späteren Stelle mit einer Funktion aufgeladen werden können. Zudem weiss er die Sympathien des Lesers geschickt zu steuern; sie liegen zunächst immer bei Pojaz und seinem teilweise tragischen Schicksal, folgen aber auch seinen Mitmenschen, von denen nur einige Ausnahmen nichts Rührendes aufweisen. Der Erzähler versteht es, das galizische Elend plastisch darzustellen, ohne sich in Beschreibungen zu verlieren. Er interessiert sich für alle und alles, lacht mit den Menschen und über sie, ohne aber zu verschleiern, dass die Lebensumstände der Ostjuden nichts Romantisches an sich haben.
Da der Pojaz sich zum Theater berufen fühlt und alles in seinem Leben diesem Drang unterordnet, ist der Roman auch einer Art Lektüre von Goethes Meister, allerdings weniger konstruiert, weniger bedeutungsschwanger, dafür aufgeladen mit einer gewissen Exotik und unterlegt mit so viel Humor, dass man oft laut rauslachen muss.
Der Pojaz kann bedingungslos empfohlen werden.

Mittwoch, 11. April 2007

Bergidylle

Man denke sich folgendes Panorama:Was bei diesem Eindruck fehlt, ist die akustische Kulisse: Schüsse - offenbar aus mehrere Sturmgewehren 90 - gehen den feierabendlichen Einheimischen wie den naherholenden Auswärtigen durch Mark und Bein. Warum gerade hier und jetzt geschossen werden muss, können wohl nur Leute wie Nationalrat Ulrich Giezendanner erklären, der in der SI verlauten liess, er habe noch gelernt, das Sturmgewehr "wie seine Braut" zu behandeln. Bei solchen Äusserungen müssen immer beide Richtungen bedacht werden: An welche Behandlungsmethoden, die der gute Nationalrat normalerweise seiner Braut angedeihen lässt, hat er wohl in Bezug auf sein Sturmgewehr gedacht? Und: Behandelt er wohl seine Braut auch wie sein Sturmgewehr? (In der SI handelt es sich um eine Frau, bei der man im ländlichen Aargau wohl sagen würde, es sei noch eine "Rassige" mit einer "lässigen" Frisur.)
Hoffen wir also, die fleissigen Schützen in den Bergen gehen mit ihren Sturmgewehren den nationalrätlichen Vorstellungen entsprechend um?

Dienstag, 3. April 2007

Bright Eyes: I'm Wide Awake It's Morning

Habe schon lange kein Album mehr so intensiv gehört wie diese Platte von Bright Eyes, zuletzt vielleicht noch das von Gnarls Barkley.
Die Songs haben so einen lockeren Country-Folk-Groove, der einen nicht so mitreissen könnte. Zwei Dinge faszinieren mich besonders: Erstens die Lyrics, die ungefähr das Intelligenteste sind, was ich Amerikaner schon zur politischen Situation habe sagen hören. Die Verbindung von Privatem und Politischem, die immer unsichtbarer wird, so scheint mir, wird wunderbar hervorgehoben, vor allem in "If You Walk Away, I'll Walk Away" (nicht ganz sicher, ob der Song so heisst), aber auch in anderen Texte. Die Motive wandern durch die Texte, der Radiowecker kommt immer mal wieder vor, die Fernsehbilder - und die Geschichte wird immer mitgetragen.
Zweitens entgleisen die Songs auch mal ganz leicht, sie fallen aus dem Schema, der Beat wird zu hart, die Silben passen nicht in den Rhythmus, immer dort, wo der Song auch inhaltlich entgleist. Selten ist mir bei Liedern ein solch lyrisches Moment bewusst geworden.
Bevor ich zu stark ins Schwärmen komme, stöpsle ich mir die Kopfhörer rein.

ZH 98265

Diese Autonummer gehört zu einem Taxi, das mich am Wochenende nach Hause befördert hat. Ehe der Fahrer über den Fussgängerstreifen davonbrauste, musste ich mich von ihm beschimpfen lassen, weil das passende Münz nicht sofort bereitgelegt werden konnte. Es sei, so meinte der sympathische Fahrer, ein Elend, dass alle Leute meinten, sie könnten das Taxi mit grossen Noten bezahlen.
Man lernt
1. Taxi fahren in Zürich zeigt einem, womit sich Touristen wohl konfrontiert sehen.
2. Auch die Welt der Reichen und Schönen besteht nicht aus Friede, Freude & Eierkuchen.
3. Halt das verdammte Wechselgeld bereit, damit die Taxifahrer Umsatz machen können.
4. Beschwerden kann man neuerdings auch per Blog machen, anstatt Alpha-Taxi eine Mail zu schreiben.

Das ganze Blogspiel

"Wotsch en Brief, so schribsch en Brief", hiess es doch mal. In einer Zeit, wo mich 16-jährige fragen, was A-Post sei, ist ein solches Diktum natürlich schon etwas passé. Aber wenn man im ganzen Blogspiel bestehen möchte, d.h. eine treue Schar Lesende um sich versammeln möchte, so müsste man andere Blogs lesen, kommentieren und so seinen Blog anpreisen; das gleiche Prinzip wie ehedem also, mein meine Blogberatung. Da es für solche Angelegenheiten an Zeit nie mangelt, gibt es nur ganz prinzipielle Probleme - wie will man sich mit seinen Kommentaren positionieren? Kommentiert man Dutzendblogs auf der Jagd nach Aufmerksamkeit, oder wagt man sich an die herausragenden Prachtsexemplare, wo sich die "Weisheit der vielen" tummelt?