Sonntag, 16. August 2009

Hausgemachter Enkeltrick

Wenn man sich über Kleinigkeiten freuen soll, dann darf man sich wohl erst recht über Kleinigkeiten aufregen.

1. Der Enkeltrick
Wie die Illustration es besser nicht zeigen könnte, besteht der so genannte Enkeltrick darin, dass »betagten oder immigrierten Personen« (Quelle: fedpol) bei einem Anruf vorgegaukelt wird, eine ihnen verwandte Person (z.B. ihr Enkel) sei auf eine größere Zuwendung von ihnen angewiesen. Da man diesen betuchten Personen von Täterseite zwar nicht zutraut, den Enkel am Telefon zu erkennen, wohl aber an der Haustür, informiert man sie in einem zweiten Telefonat darüber, dass man selbst verhindert sei, ein Freund/Beamter/x das Geld aber abholen komme. Trotz Warnung von Bankangestellten heben die betagten Menschen aber größere Summen Geldes ab und überreichen sie ihnen völlig unbekannten Menschen.
Warum regt mich das auf? Weil in den Medien so getan wird, als handle es sich um eine besonders dreiste Form der Betrügerei. Wenn man das Ganze aber durchdenkt, erhält man aber einen Tatbestand, der in meinem Rechtsempfinden aber kaum kriminell ist:

  1. Jemand, der oder die offenbar nicht bevormundet oder in finanzieller Hinsicht verbeiständet ist, gibt jemand anderem (teilweise trotz einer Warnung) Geld - ohne Zwang.
  2. Der einzige Betrug ist der, dass die Person, die anruft, eben nicht der Enkel ist. Wäre es der Enkel, wäre alles völlig legal. Ändert die Tatsache, dass es eben nicht der Enkel ist (den die betuchte Person nicht einmal am Telefon erkennt), etwas an ihrer Situation?
2. hausgemacht
In diesem Sommer habe ich das Vergnügen genossen, mit AirBerlin nach Berlin zu fliegen. Wider Erwarten gab es essbares Gratisessen. Hätte ich dennoch was noch Schmackhafteres und Kalorienreicheres bestellen wollen, hätte es eine »hausgemachte Currywurst« gegeben. Die nahe liegende Frage: Von welchem Haus sprechen wir? Fliegen wir in einem Haus? Oder gibt es DAS »Air-Berlin-Haus«, in dem auch Currywürste gemacht werden? Ist die Wurst hausgemacht - oder ist damit die Zubereitung einer nicht hausgemachten Wurst gemeint? Fragen über Fragen… Hausgemacht ist aber in unsere Konsumwelt fast alles, weil das impliziert, es gebe jemanden Ansprechbares, der in der Lage ist, hochartifizielle Produkte selbst herzustellen. Gemeint ist aber: Dieses Produkt wurde in einem Gebäude gemacht, das ein Dach aufweist.

10 Kommentare:

lukeduke hat gesagt…

sich als jemandem ausgeben, den man nicht ist und dadurch an einen haufen geld zu kommen find ich also schon ein wenig daneben. da brauch ich nicht mal die ach so bösen medien dazu ;)

Philippe Wampfler hat gesagt…

Es war keine Medienverteufelung - für einmal. Moralisch sauber finde ich das Ganze nicht - aber das wäre es m.E. auch nicht, wenn es der Enkel selbst wäre. Es geht nur darum, dass da offenbar eine Annahme über die strafrechtliche Relevanz getroffen wird, die so selbstverständlich gar nicht ist. Meiner Meinung nach.

Betrüger hat gesagt…

Betrug bezeichnet generell die Straftaten, bei denen freiwillig das Vermögen an jemand anderes gegeben wird. Ansonsten nennt sichs Erpressung oder Raub.

Wenn freiwillige Herausgabe von Geld keine Straftat sein soll, muss man den Betrug im Gesetz streichen.

Philippe Wampfler hat gesagt…

Ja - Betrug scheint mir Straftatbestand zu sein, den man überprüfen könnte. Der Bankberater, der mich animiert, in einen Fonds zu investieren, über den er nichts weiß, und diese Tatsache unterdrückt, indem er so tut, als wüsste er etwas - betrügt natürlich niemanden. Aber das ist nun ein Klischee: Allgemein scheint man hier von einem Wahrheitsbegriff (»Tatsachen«) auszugehen, der unterkomplex ist. Zudem:
»Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.« Der Enkel dürfte also tatsächlich, der Nicht-Enkel also nicht. Angenommen, der Täter würde nun argumentieren, er hätte gemeint, er sei tatsächlich der Enkel der betreffenden Person… (Spitzfindigkeiten, ich weiß.)

Anonym hat gesagt…

die kriminelle handlung beim betrug liegt genau darin, dass jemand durch arglistige täuschung dazu gebracht wird, sich selber am vermögen zu schädigen.

die elemente des betruges sind folgende:
1.
arglistige irreführung durch vorspiegelung falscher tatsachen, unterdrückung von tatsachen oder bestärken in einem irrtum.

2.
der getäuschte wird dadurch zu einem verhalten gebracht, dass diesen in seinem vermögen schädigt.

3.
der täter oder ein dritter werden genau durch diese vermögensmasse bereichert.

beim enkeltrick sind diese elemente offensichtlich gegeben. sogar die manchmal hohe hürde der arglistigen täuschung dürfte erfüllt sein.

Philippe Wampfler hat gesagt…

Mir ist klar, was Betrug ist. Die Frage ist - neben der moralischen Frage und dem Problem der Definition von Betrug (nur weil es eine juristische Praxis gibt, heißt das noch nicht, dass die Definition sinnvoll ist) - die Frage ist, worüber man Personen täuschen kann. Ist es Betrug, wenn mich der Junkie um 5 Franken für ein Zugbillet bittet? Ich gebe ihm die 5 Franken, ohne mir davon etwas zu versprechen. Beim Enkeltrick bleibt es eine Tatsache, dass mündige Menschen Unbekannten viel Geld geben, ohne es zurückzuerwarten. Das finde ich kaum problematisch.

Philippe Wampfler hat gesagt…

Ich präzisiere: Für die Geschädigten finde ich es kein Problem, wenn sie nicht unter Druck gesetzt worden sind etc. Die Täter handeln natürlich unmoralisch…

Betrüger hat gesagt…

... mündige Menschen ...
Wo fängt der mündige Mensch an, wo hört er auf ?
Kinder die sich selbst nicht schützen können müssen durch die Gesellschaft (=entsprechende Gesetzte) geschütz werden.

Das der Enkeltrick nur ab 80 aufwärts klappt hat ja irgendeinen Grund. Vielleicht können sie sich gegen manches ebenso wenig selbst schützen wie Kinder.
Soll man die Schwachen der Gesellschaft schutzlos sich selbst überlassen ?
Außerdem geht's beim Enkeltrick um ein kurzfristiges Darlehen und es wird versprochen das Geld unverzüglich zurückzugeben.

Und natürlich betrügt der Bankberater auch wenn er so handelt wie Du es beschreibst. Es ist nur schwieriger zu beweisen, was er beim Beratungsgespräch tatsächlich wusste und was nicht.


Der echte Enkel darf das grundsätzlich auch nicht, allerdings wird da dem Opfer die Entscheidung überlassen, ob es die Strafverfolgung innerhalb der Familie wirklich will.

Wenn der falsche Enkel tatsächlich glaubt er wäre der echte Enkel würde er auch nicht wegen Betruges verurteilt, sondern käme in die Psychatrie.

Philippe Wampfler hat gesagt…

Wenn es sich um ein kurzfristiges Darlehen handeln soll, liegt die Sache tatsächlich etwas anders.
Die Parallele von alten Menschen zu Kindern hört beim Mündigkeitsbegriff auf - unmündig wird man zwar geboren, aber sterben tut man meist mündig.

Betrüger hat gesagt…

juristisch gesehen mögen die älteren Menschen ja mündig sein. Die geistigen Fähigkeiten lassen mit zunehmendem Alter aber wieder nach. Und wenn langsam und schleichend die Altersdemenz einsetzt ist das mit dem mündigen Bürger allerdings ein Witz.