Samstag, 23. Dezember 2006

Zizek: The Pervert's Guide To Cinema Teil 1

Zizeks Film The Pervert's Guide To Cinema ist eben jetzt auf DVD erhältlich - dort sind auch deutsche Untertitel angekündigt. Auf dem subject barred Blog ist ein Transkript des ersten Teils verfügbar - ich werde hier ein deutsche Transkript erstellen, allerdings ohne Bilder.

Unser Problem ist nicht, ob unsere Wünsche erfüllt werden oder nicht. Das Problem ist: Wie wissen wir, was wir uns wünschen?
Menschliche Wünsche sind nicht spontan, nicht natürlich. Unsere Wünsche sind künstlich - wir müssen das Wünschen gelehrt werden.
Kino ist die ultimative perverse Kunst. Es gibt dir nicht, was du dir wünschst, es sagt dir, wie du zu wünschen hast.


[Anmerkung (übernommen von subject barred!): Perversion in der Psychoanalyse bedeutet, dass du dich als das Objekt fremder Wünsche wahrnimmst. Deshalb ist Don Giovanni beispielsweise ein Perverser. Was ist sein grosser Trick? Seine Gabe ist nicht, dass er besonders schön ist, sondern dass er die Fantasien jeder Frau erraten oder wahrnehmen kann und er versucht, diese Fantasien darzustellen. Deshalb sagt Lacan:
une par une--une pour une; für jede ihre persönliche Fantasie. Deshalb ist der Pervese völlig leer, er ist nur da um dem anderen zu dienen, um der Sklave einer fremden Fantasie zu sein. Lacan drückt das sehr schön aus: Die Formel der Perversion ist schlicht eine Umkehrung der Formel der Fantasie. Das ist genau, was in der Psychoanalyse passiert. Der Psychoanalytiker ist eine passive Lücke, ein leerer Bildschirm auf den der Analysand seine oder ihre Fantasien projeziert. Wie wir alle wissen, beginnt hier die Differenz: Anstatt die Fantasie zu bedienen, unterminiert sie der Analytiker.]

[1] Possessed (1931; Director: Clarence Brown; Joan Crawford, Clarke Gable).

Was wir in diesem wunderbaren Ausschnitt von Possessed sehen, ist ein Kommentar zur magischen Kunst des Kinos innerhalb eines Films. Wir haben ein normal Arbeiterklasse-Mädchen, das in einem gewöhnlichen kleinen Provinzstädtchen lebt. Plötzlich findet sie sich in einer Situation, in der sich die Wirklichkeit in einer magischen filmischen Erfahrung reproduziert. Sie nähert sich den Gleisen, und es ist als ob sich, was in Wirklichkeit nur eine Person ist, die nahe bei einem langsam passierenden Zug steht, in einen einen Zuschauer, der die Magie der Leindwand beobachtet, verwandelt.
Wir haben es also mit einer sehr realen, gewöhnlichen Szene zu tun, auf die die Innenwelt der Heldin, ihr Fantasieraum projeziert wird, so dass, obwohl die ganze Realität da ist, der Zug, das Mädchen, ein Teil der Realität in ihrer Wahrnehmung in der Wahrnehmung von uns Zuschauern, erhöht wird auf eine magische Ebene, die Leinwand ihrer Träume wird.
Das ist pure kinematographische Kunst.

[2] The Matrix (1999; Directors: Andy and Larry Wachowski; Keanu Reeves, Laurence Fisburne, Carrie-Anne Moss)

Aber die Wahl zwischen der blauen und der roten Pille ist nicht wirklich eine Wahl zwischen Illusion und Realität. Natürlich ist die Matrix eine Maschine für Fiktionen, aber es handelt sich um Fiktionen, die unsere Realität bereits strukturieren: Wenn man von unserer Realität die symbolischen Fiktionen wegnimmt, die sie regulieren, verliert man die Realität selbst.

Ich will eine dritte Pille.

Was ist die dritte Pille? Sicher nicht eine Art transzendentale Pille, welche eine falsche fast-food religiöse Erfahrung ermöglicht, sondern eine Pille, die mich befähigt, nicht die Realität hinter der Illusion, sondern die Realität in der Illusion wahrzunehmen.

Wenn etwas zu traumatisch wird, zu gewalttätig, zu, sogar zu sehr gefüllt wird mit Genuss, dann erschüttert es die Koordinaten unserer Realität: Wir müssen es fiktionalisieren.

[3] The Birds (1963; Director: Alfred Hitchcock; Tippi Hedren, Rod Taylor, Jessica Tandy).

Wir befinden uns inmitten von Bodega Bay, wo die Handlung von Hitchcocks The Birds stattfindet. The Birds ist ein Film über ein junges Mädchen aus San Francisco, das der gehobenen Gesellschaft angehört. Sie verliebt sich in Mitch und verfolgt ihn nach Bodega Bay, wo sie herausfindet, dass er mit seiner Mutter lebt. Und dann gibt es die essbare Standardverwirrung [?; the standard edible imbroglio] der inzestuösen Spannung zwischen Mutter und Sohn, der Sohn hin- und hergezogen zwischen seiner besitzergreifenden Mutter und dem eindringenden Mädchen.
Die grosse Frage zu The Birds ist natürlich die dumme offensichtliche: Warum greifen die Vögel an? Es genügt nicht zu sagen, dass die Vögel Teil der natürlichen Konfiguration der Realität sind, es ist vielmehr wie wenn eine fremde Dimension eindringt und die Realität wörtlich auseinander reisst. Wir Menschen sind nicht natürlicherweise in die Realität geboren. Damit wir als normale Menschen handeln und mit anderen Menschen interagieren
können, die in einem Raum der sozialen Realität leben, müssen viele Dinge passieren: Beispielsweise müssen wir richtig in die symbolische Ordnung eingegliedert werden und so weiter. Wenn das, unser richtiger Ort im symbolischen Raum, gestört ist, zerfällt die Realität.


Um also die psychoanalytische Formel vorzuschlagen, die gewaltsamen Angriffe der Vögel sind offensichtlich explosive Ausbrücke des mütterlichen Über-Ichs, der mütterlichen Figur, die versucht eine sexuelle Beziehung zu verhindern. Die Vögel sind also rohen, inzestuöse Energie.

Was mach ich? Sorry, sorry, ich habs. Mein Gott, ich denke wie Melanie! Weisst du, was ich grad denke? Ich will Mick ficken! Das hast du gedacht, nein, nein. Oh, sorry, sorry. Ich habe diese plötzlichen Orientierungsverluste.

[4] Psycho (1960; Director: Alfred Hitchcock)

Wir sind im Keller vom Haus der Mutter in Psycho. We are in the cellar from the mother's house from Psycho. Was daran interessant ist, ist die Aufteilung des Hauses der Mutter, Ereignisse fanden auf drei Stockwerken statt, Obergeschoss, Erdgeschoss, Keller. Es ist also ob sie die drei Ebenen der menschlichen Subjektivität reproduzieren. Das Erdgeschoss ist das Ego, Norman verhält sich dort wie der normale Sohn, was von seinem normalen Ego bleibt, übernimmt. Im Obergeschoss ist das Über-Ich, das mütterliche Über-Ich, weil die tote Mutter grundsätzlich einen Figur der Über-Ichs ist. Und im Keller ist das Es, das Reservoir verbotener Triebe. Und so können wir die Ereignisse in der Mitte des Films interpretieren, als Norman seine Mutter - oder, wie wir am Schluss erfahren, die Mumie der Mutter, die Leiche, das Skelett - vom Obergeschoss in den Keller trägt. Es ist, als transportiere er sie in seinem Geist, als einen psychischen Faktor, vom Über-Ich zum Es.

... gebe hier mal auf, habe nämlich die DVD mit deutschen Untertiteln erhalten ...

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