Co-Blogger Flo macht auf den Blog von Dr. Med. Yvette Estermann aufmerksam - und siehe da: Selten liest man Halb- oder Gar-nicht-Gedachtes so frei formuliert. Nicht nur ist die Frau offenbar praktizierende Ärztin, sondern darüber hinaus wurde sie auch noch ins Parlament gewählt. Nun setzt sie sich »mit der ältesten Kultur der Schweiz« (Volkskultur, natürlich, oder auch: Volksmusik) auseinander oder betet im oder fürs Bundeshaus (das kann man auch online tun, grossartige Gebete können dort nachgelesen werden). Zudem verweist die Ärztin auf Studien, welche die Wirkung von Gebeten belegen. Wie Flo richtig festgestellt hat: Wenn solche Leute impfen dürfen, dann wäre es fatal, wenn sich alle impfen lassen müssten.
Die oben erwähnten Studien gibt es allerdings tatsächlich. Zwei, die ich angeschaut habe, finden sich hier:
- Byrd 1988: http://www.godandscience.org/apologetics/smj1.html
- Harris et al. 1999: http://einstein.uab.es/_c_serv_estadistica/Seminaris/harris.pdf (ein pdf)
How God acted in this situation is unknown; i.e., were the groups treated by God as a whole or were individual prayers alone answered?Dass Gott sich für Untersuchungen selten zur Verfügung stellt, ist natürlich ein bemerkenswertes Problem. Anschließen kann man vielleicht noch die Frage, warum er Menschen, für die gebetet wird, eher heilt als solche, für die keine Gebete aufgesagt werden (denn die Betenden müssen die Patienten nicht kennen, allein der Name reicht). Um den Betenden eine Freude zu machen - von der sie nie erfahren werden, weil sie ja nicht wissen, für wen sie beten? Oder um generell einen Anreiz zu weiteren Gebeten zu schaffen? Alles etwas unklar.
Die Christian Science an sich ist aber noch etwas rigider in ihrem Glauben: Gestüzt auf Mary Baker Eddy glauben sie, es gäbe nicht als eine spirituelle Welt (eigentlich nichts ausser Gott). Leiden ist glücklicherweise reine Einbildung, entweder eine Wahrnehmunsstörung (»healing of sickness«) oder basiendrend auf einer Sünde (»healing of sin«). Beide Ursachen können mit Gebeten problemlos behoben werden, da es eine materielle Welt nicht gibt.
Was philosophisch überzeugend daherkommt, wirkt sich fatal aus: Wie mehrere Studien (z.B. diese) belegen, leben Anhänger dieses Glaubens deutlich weniger lang als vergleichbare andere Gläubige und sterben in 6% der Fälle an Ursachen, die hätten behoben werden können.
Und was es zu den Gebetsstudien noch zu sagen gibt, ist
- Statistik- und Reality-Check: hier. (Fazit: Wenn man zwei Gruppen macht, kann es sein, dass es der einen besser geht. Ob gebetet wird oder nicht.)
- Das Gebet in seiner reinen Form folgt Zizeks Logik des Opfers (hier nachzulesen); das nämlich nur in einer kaptialistischen Analyse als ein verschobener Kaufvertrag angeschaut werden kann (ich opfere/bete und erhalte später, wofür ich geopfert/gebetet habe), grundsätzlich aber eine Handlung ist, die ich vornehme, um die Existenz Gottes zu bekräftigen, denn wenn ich ihm opfere bzw. zu ihm spreche, dann muss es ihn ja geben. Etwas erhalten muss ich dann nicht.
3 Kommentare:
Das Design wundert mich auch noch ein wenig. So seltsam, wie ihr Bild über die Berglandschaft gephotoshopt wurde... also, die Haare... hmnn
Aber ja, äh - Schon doof, wenn nicht mal Dr. Med. Politiker bezüglich ihrem Fachgebiet eine informierte Entscheidung treffen (wollen). Aber hmn, wohl als Politiker angestellt. Also: Man wird ja für eine bestimmte Meinung bezahlt.
Frau Dr. med. scheint nicht ganz im Bilde darüber zu sein, welch gravierenden Schäden Kinderkrankheiten mit sich bringen können. Aber sie hatte ja alle. Und die Menschheit hat auch die Pest überlebt ("Man schätzt, dass etwa 20 bis 25 Millionen Menschen, rund ein Drittel der damaligen Bevölkerung Europas, durch den Schwarzen Tod umkamen.", http://de.wikipedia.org/wiki/Pest).
Interessant ist zudem, dass Immunität über die Gene weitergegeben wird. Bei Impfungen scheint das grundlegend anders zu sein, obwohl die Immunisierung bei Impfungen im Prinzip gleich abläuft wie bei Krankheiten.
Aber ihr ist ja dieser Satz in den Sinn gekommen:
„Gott ist kein Krisenmanager, der eine Krise verhindern kann. Aber er kann uns Kraft geben, diese zu bewältigen!“
Der Satz bräuchte wohl dringendst einen Krisenmanager, aber einen der die Krise verhindern kann.
http://www.yvette-estermann.ch/persoenlich/popups/gedicht_schmetterling.html
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