Samstag, 25. Juli 2009

Täter - Opfer: revisited (Mein Lieblingsargument)

Im Magazin findet sich heute ein Artikel, der mit einer Frage überschreiben ist: Wird er es wieder tun? Der exzellente Artikel von Mathias Ninck befasst sich mit einem verwahrten Vergewaltiger, der nach Ansicht aller Experten 20 Jahre nach seiner letzten Tat keine Gefahr für seine Mitmenschen darstellt - und gleichwohl weiterhin verwahrt bleibt, obwohl es dafür keine Grundlage gibt. Die Grundlage von Verwahrungen, welche keine Strafe darstellen, ist die potentielle Gefährdung, welche von einem Menschen ausgeht, der »nicht-therapierbar« ist.
Nun wird den LeserInnen dieser Seite bekannt sein, dass ich folgende Punkte beängstigend finde:

  • der Diskurs über juristische Themen wird in der Schweiz von Laien geführt
  • Prinzipen der Rechtstaatlichkeit und des fairen, gerechten juristischen Vorgehens werden von diesen Laien missachtet
  • die Solidarität mit so genannten Tätern wird aufgekündigt, Strafen können nicht hart genug sein
  • Urteile und Expertisen, welche wissenschaftlich fundiert und alle Aspekte eines Falles einbeziehen, werden vor dem Hintergrund der »Taten« als zu milde abgetan.
Dabei ist völlig rätselhaft, warum Juristen, Richter und Psychiater Täter schonen sollten, ihnen zu kürzeren Strafen verhelfen oder sie nicht verwahrt sehen wollen - aber das ist wohl ein Bestandteil einer Verschwörungstheorie gegen den juristischen Apparat.
Mit grosser Regelmässigkeit (so auch in den Kommentaren zu diesem Artikel) wird jedoch ein vermeintliches Totschlagargument verwendet: Wer auf Fairness gegenüber Tätern besteht, dem wird unterstellt, er würde seine Meinung sofort ändern, wenn er entweder ein Opfer einer Gewalttat würde oder aber wenn ihm nahe stehende Menschen Opfer von Gewalttaten würden. Dieses Argument ist weder geschickt noch perfide: Es ist dumm. Ganz generell beurteilen Menschen Sachverhalte, indem sie sich vorstellen, daran beteiligt zu sein. Das Problem dabei ist, dass wir uns leichter vorstellen können, ein Opfer einer Gewalttat zu werden, als der Täter einer Gewalttat zu sein - was aber nicht heißt, dass wir uns nicht auch vorstellen könnten, wie es ist, 20 Jahre eingesperrt zu sein und grundlos weiterhin eingesperrt zu werden, um dann zu merken: Wenn wir eine gefahrenlose Gesellschaft wollten, müssten wir einfach alle Menschen einsperren… Ein weiterer Grund, warum das Argument völlig haltlos ist, ist die Natur unseres Rechtssystems: Wenn es nämlich immer diese Massnahme anordnen würde, welche Opfern und Freunden von Opfern als die angezeigte erscheint, dann bräuchten wir es gar nicht mehr: Weil dann Rache das ökonomischere und effizientere Prinzip wäre.
Es handelt sich bei diesen Überlegungen nicht um Spitzfindigkeiten: Eine Gesellschaft, welche 200 Menschen präventiv einsperrt, ohne dass diese für etwas verurteilt worden wären, und dies nicht Grund zur Beunruhigung findet: Die hat grössere Probleme als die Schweinegrippe.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wenn Schwule immer so argumentieren würden wie diese Heteros, dann wäre wohl ein Gemetzel an ihnen nicht mehr zu verhindern...